Mexiko-Stadt. Die beiden entscheidenden politischen Machtblöcke des Landes haben ihre Kandidat:innen für die Präsidentschaftswahl nächstes Jahr gekürt. Für Morena, die Mitte-links Partei des amtierenden Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (Amlo), die mit der Grünen Partei und der Arbeitspartei paktiert, wird Claudia Sheinbaum Pardo antreten. Für die Frente Amplio, den Zusammenschluss der Parteien PAN, PRI und PRD, Xóchitl Gálvez Ruiz. Damit ist es quasi sicher, dass eine von beiden Präsidentin werden wird, die erste in der Geschichte des Landes.
Die beiden Kandidatinnen haben recht unterschiedliche Hintergründe. Sheinbaum stammt aus einem Akademiker:innenhaushalt aus Mexiko-Stadt, studierte dort und erwarb einen Doktortitel. Sie ist Amlo schon lange politisch verbunden und arbeitete für ihn im Umweltressort von Mexiko-Stadt als er Bürgermeister war, streikte mit ihm 2006 über eineinhalb Monate, nachdem er die Wahl zum Präsidenten verloren hatte und regierte ab 2018 bis zum Juni dieses Jahres selbst die Hauptstadt.
Gálvez wiederum betont immer wieder ihre einfache und indigene Herkunft. Sie stammt aus einer Kleinstadt in Hidalgo und will sich in Kindheitstagen Geld durch den Verkauf von Marmelade verdient haben. Sie gründete mehrere Unternehmen, war unter Präsident Vicente Fox Direktorin der Nationalen Kommission für die Entwicklung der indigenen Völker und ist seit 2018 Senatorin für PAN.
Sowohl Morena und Verbündete als auch der Frente Amplio-Block wollten die Auswahl ihrer Kandidat:innen durch öffentliche Umfragen entscheiden lassen.
Das Verfahren zur Kür von Gálvez wurde jedoch vorzeitig entschieden, da ihre einzig verbliebene Konkurrentin, Beatriz Paredes, aus dem Rennen genommen wurde.
Der Vorsitzender der PRI begründete diesen Schritt damit, dass der Vorsprung zu Gálvez (58 zu 42 Prozent) uneinholbar sei "und in diesem Sinne und mit aller Verantwortung müssen wir mit Intelligenz und Strategie handeln, denn Mexiko steht an erster Stelle". Amlo kommentierte, dass für Morena die Stimme des Volkes entscheidend sei, nicht der 'dedazo', eine früher in Mexiko gängige Praxis, mit welcher der Präsident per Fingerzeig öffentlich seinen Nachfolger bestimmte.
Doch auch die Kür von Sheinbaum hat Makel. Bei der Umfrage des Regierungslagers traten sechs Kandidat:innen an und sie holte mit knapp 40 Prozent die meisten Stimmen. Der Zweitplatzierte, Marcelo Ebrard, erhielt etwas mehr als 25 Prozent. Dennoch behaupten mehrere Kommentatoren, dass Amlo allein über den Ausgang der Wahlen entschieden habe, nach mancher Meinung sogar schon im Jahr 2021.
Auch kursieren Gerüchte, dass die Morena-Gouverneurin von Colima Steuergelder verwendet habe, um die Wahl von Sheinbaum im benachbarten Bundesstaat Jalisco zu fördern. Eine Anschuldigung, die sie dementierte.
Hinzu kommt die Causa Ebrard. Er ist ein langjähriger politischer Weggefährte Amlos, regierte nach ihm die Hauptstadt, und war dann sein Außenminister. Nun unterlag er jedoch Sheinbaum. Während alle anderen Bewerber deren Sieg akzeptieren und sich hinter sie stellen, lehnt Ebrard dies ab. "Ich werde mich dieser Dame nicht unterordnen", soll er gesagt haben. Am gestrigen Montag stellte er dann der Parteiführung ein Ultimatum zur Wiederholung der Wahl, da sie zugunsten von Sheinbaum beeinflusst worden sei. Sollte dieser Forderung nicht stattgegeben werden, würde er Morena verlassen und seine eigene politische Bewegung gründen. Dass es zu einer solchen Wiederholung kommen wird, ist jedoch höchst unwahrscheinlich, auch weil Amlo Sheinbaum bereits öffentlich zu seiner Nachfolgerin erklärt und ihr den "Führungsstab" (bastón de mando) übergeben hat, "um unsere Bewegung zu führen und den Wandel fortzusetzen, dessen Hauptakteur das mexikanische Volk war, ist und sein wird", wie er auf X schrieb.
In bisherigen Umfragen liegt Sheinbaum klar vor ihrer Konkurrentin. Die wahrgenommene Nähe zu Amlo könnte sich für sie aber als Nachteil erweisen, da die Gefahr besteht, lediglich als dessen "Marionette" wahrgenommen zu werden. Gálvez hat hingegen das Problem, dass sie es schaffen muss, Wähler:innen über das Stammklientel der Frente Amplio hinaus zu mobilisieren.
Demetrio Soda von der Zeitung El Economista sieht eine weitere Herausforderung für Gálvez und Sheinbaum: Es müsste ihnen noch gelingen, sich ein Mitspracherecht bei der Nominierung der Kandidat:innen für den Senat und das Abgeordnetenhaus zu verschaffen, deren Wahlen ebenfalls nächstes Jahr anstehen. Sollten sie daran scheitern, könnten sie trotz des Erlangens der Präsidentschaft ohne eigene Hausmacht im Parlament massive Schwierigkeiten beim Regieren bekommen.