Lateinamerika ist weiterhin der gefährlichste Ort für Land- und Umweltschützer:innen

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Am 13. September legte Global Witness den Bericht für 2022 vor
Am 13. September legte Global Witness den Bericht für 2022 vor

London/Washington. Der jüngste Bericht der internationalen Nichtregierungsorganisation Global Witness "Standing firm. The Land and Environmental Defenders on the frontlines of the climate crisis" über Angriffe auf Verteidiger:innen von Land, Territorien und Gemeingütern weltweit im Jahr 2022 bestätigt, wie gefährlich es ist, den Planeten zu verteidigen. Und dass Lateinamerika nach wie vor der riskanteste Ort ist, um dies zu tun.

Im vergangenen Jahr wurden laut dem Bericht mindestens 177 Land- und Umweltschützer:innen getötet. Auf Lateinamerika entfielen 88 Prozent dieser Morde, und mehr als ein Drittel aller tödlichen Angriffe fand in Kolumbien statt (60), fast doppelt so viele wie im Jahr 2021 (31). Mehr als 70 Prozent (125) fanden in nur drei Ländern statt: Kolumbien, Brasilien und Mexiko.

In Brasilien wurden 34 Verteidiger:innen getötet, während in Mexiko, dem Land mit der höchsten Zahl von Morden im Jahr 2021, die Zahl von 54 auf 31 in diesem Jahr zurückging.

In Mittelamerika bleibt Honduras mit 14 tödlichen Angriffen der traurige Spitzenreiter in Bezug auf die Zahl der getöteten Verteidiger:innen pro Kopf der Bevölkerung.

Im Durchschnitt wurde 2022 wie schon 2021 alle zwei Tage ein:e Umweltverteidiger:in getötet.

"Auch wenn die Gesamtzahl im letzten Jahr etwas niedriger ist als 2021 (200 Tötungen), hat sich die Situation nicht wesentlich verbessert. Die Verschärfung der Klimakrise und die wachsende Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten, Brennstoffen und Mineralien verstärken den Druck auf die Umwelt und diejenigen, die ihr Leben für ihren Schutz riskieren, nur noch weiter", erklärt Global Witness.

In den vergangenen zehn Jahren (2012-2022) wurden weltweit insgesamt 1.910 Menschen bei der Verteidigung von Land, Territorien und Gemeingütern getötet, 1.390 von ihnen seit der Verabschiedung des Übereinkommens von Paris (2015), so Global Witness.

Lateinamerika ist auch in diesem Zeitraum wieder die tödlichste Region, insgesamt 1.335 Umweltverteidiger:innen kamen ums Leben, das sind 70 Prozent der Gesamtzahl.

Kolumbien (382), Brasilien (376), Mexiko (185), Honduras (131) und Guatemala (82) führen die dramatische Liste an. In Asien sind die Philippinen (281) das Land mit der höchsten Zahl und steht weltweit an dritter Stelle. Insgesamt elf der 18 Länder, in denen 2022 solche Fälle dokumentiert wurden, liegen in Lateinamerika.

Agrarindustrie, Bergbau und Holzeinschlag sind die Sektoren, die mit den meisten Morden in Verbindung gebracht werden.

Elf Prozent der tödlichen Angriffe trafen Frauen. Mehr als ein Drittel (36 Prozent) der Opfer waren Indigene und sieben Prozent waren Afroamerikaner. Zweiundzwanzig Prozent waren in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft tätig.

Im Jahr 2022 ereigneten sich mehr als ein Fünftel (22Prozent) der 177 weltweit registrierten Tötungsdelikte im Amazonasgebiet (39). Insgesamt wurden seit 2014 mindestens 296 Umweltverteidiger:innen im Amazonasgebiet umgebracht.

Der Bericht von Global Witness stellt zudem fest, dass die Aktivist:innen außer tödlichen Angriffen weiterhin unter allen Arten von Verfolgung, Schikanen, digitalen Angriffen und Kriminalisierung leiden, bei denen "die Gesetze als Waffe gegen sie benutzt werden, um ihre Stimme zum Schweigen zu bringen".

Eine Sache, die man immer im Blick behalten sollte, ist, dass die von Global Witness jedes Jahr vorgelegte Liste zu niedrige Zahlen aufweist und das ganze Ausmaß des Problems nicht exakt widerspiegelt, vor allem weil Einschränkungen der Pressefreiheit und das Fehlen einer unabhängigen Überwachung in vielen Ländern es erschwerten, diese Morde öffentlich zu machen.

Der Bericht zeigt auch ein besorgniserregendes Muster auf, wonach Aktivist:innen durch Kriminalisierung zum Schweigen gebracht werden, "was beinhaltet, dass die gesetzlichen Regelungen, die sie eigentlich schützen sollten, zu Waffen werden, um sie anzugreifen".

Angesichts dieser Situation fordert die britische Organisation die Regierungen in aller Welt erneut auf, dringend bessere Maßnahmen zum Schutz von Umweltverteidiger:innen zu ergreifen und sich für die Anerkennung ihrer Rolle im Kampf gegen die Klimakrise einsetzen.

Schließlich fordert Global Witness ein Ende der Straflosigkeit durch angemessene, gründliche und unabhängige Untersuchungen, um die gerechte Bestrafung der materiellen und geistigen Verantwortlichen für diese Verbrechen zu gewährleisten und so mögliche neue Angriffe zu unterbinden.