Venezuela über Konflikt mit Guyana: "USA wollen uns in den Krieg treiben"

Venezuela sieht Äußerungen der USA in Hoheitsdisput als "Einmischung". Grenzstreit mit Guyana eskaliert. Erdölinteresse dahinter vermutet

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Der venezolanische Außenminister, Yván Gil, bei der 78. UN-Generalversammlung in New York
Der venezolanische Außenminister, Yván Gil, bei der 78. UN-Generalversammlung in New York

New York/Caracas. Der venezolanische Außenminister, Yván Gil, hat auf der 78. UN-Generalversammlung die Absicht der USA zur Militarisierung des territorialen Konflikts zwischen Venezuela und Guyana angeprangert. Gil zufolge plant das US-Südkommando (Southcom) eine Militärbasis in der 160.000 Quadratkilometer großen ölreichen Esequibo-Region zu errichten. Sie ist Gegenstand eines laufenden Streitverfahrens zwischen Venezuela und seinem Nachbarstaat Guyana vor dem Internationalen Gerichtshof der Vereinten Nationen (IGH).

Gil beschuldigte die USA, die Ölvorkommen des Essequibo zugunsten des US-Konzerns Exxon Mobil sichern zu wollen. "Die USA wollen uns in den Krieg um Rohstoffe treiben", beklagte Gil. Die Regierung von Guyana handle laut dem Außenminister wie ein "Teil des Personals" der US-Regierung. Sie führe illegal eine Ausschreibung zur Erdölförderung in einem umstrittenen Meeresgebiet durch, in dem sie keine Hoheit habe.

Von den 14 Öl- und Gasfeldern, die Guyana seit letztem Jahr ausgeschrieben hatte, erhielt das Land im September Angebote für acht von ihnen. Exxon Mobil ist eins der interessierten Unternehmen. Die Zuschläge sollen am Ende des Jahres erteilt werden.

Das venezolanische Außenministerium bestritt in einer Mitteilung die Gültigkeit der Ausschreibung und erklärte, dass "Dritten", die daran teilnähmen, "keine Rechte gewährt werden". Da die Regierung von Guyana keine Hoheit über diese Meeresgebiete besäße, sei jede Aktion dort völkerrechtswidrig, es sei denn, sie erfolge im Rahmen eines Abkommens mit Venezuela, hieß es weiter in dem Kommuniqué.

Die Regierung Venezuelas bezieht sich auf das Genfer Abkommen von 1966, in dem sich beide Länder nach einem langen Grenzstreit zu einer gemeinsamen Verhandlungslösung verpflichteten. Der Konflikt brach 2015 erneut auf, als Exxon Mobil Erdöl in der maritimen Zone vor der Küste von Esequibo entdeckte. 2018 beantragte Guyana beim IGH die Anerkennung eines Schiedsspruchs aus dem Jahr 1899, in dem ein Pariser Gericht die Grenze zwischen den südamerikanischen Ländern zugunsten von Guyana gezogen hatte (amerika21 berichtete).

In seiner Rede vor dem Plenum der 78. Generalversammlung der Vereinten Nationen verteidigte der Präsident von Guyana, Irfaan Ali, "das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung in jedem Teil seines Territoriums oder in den dazugehörigen Meeresgebieten". Ali zeigte sich empört über die Mitteilung des venezolanischen Außenministeriums, die er als "Bedrohung für den regionalen und internationalen Frieden sowie für die Investitionspartner von Guyana" ansah.

Das venezolanische Außenministerium erwiderte in einem neuen Kommuniqué, dass "die Regierung von Guyana und die regierenden Eliten weiterhin mit Unverschämtheit handeln". Sie träten auf "wie Mitarbeiter der Exxon Mobil" und wollten sich "Ressourcen aneignen, die ihnen nicht gehören". Das Ministerium teilte den Unternehmen, die an der Ausschreibung in Guyana teilnehmen, außerdem mit, dass die venezolanische Regierung alle notwendigen Schritte unternehmen werde, um den "unerlaubten Abbau" von Rohstoffen zu verhindern.

Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro forderte seinerseits Ali auf, den Konflikt nicht eskalieren zu lassen und sicherzustellen, dass "das Southcom Guyana nicht in eine Militärbasis gegen Venezuela verwandelt".

Die Spannungen stiegen weiter, nachdem der stellvertretende Staatssekretär für Angelegenheiten der westlichen Hemisphäre der USA, Brian Nichols, bekundete, dass "die USA das souveräne Recht Guyanas unterstützen, seine eigenen natürlichen Ressourcen zu entwickeln".

"Bestrebungen, die die Souveränität Guyanas verletzen, sind inakzeptabel. Wir fordern Venezuela auf, das Völkerrecht zu respektieren, einschließlich des Schiedsspruchs von 1899 und des laufenden Prozesses vor dem IGH zwischen Guyana und Venezuela", so Nichols auf X.

Der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, bezeichnete die Äußerungen der venezolanischen Regierung als "Einschüchterungsmanöver", welche das Prinzip der guten Nachbarschaft untergraben. "Wir erkennen das Recht von Guyana an, Investoren willkommen zu heißen", fügte Almagro hinzu.

Die Nationalversammlung Venezuelas (AN) hat inzwischen eine Volksbefragung gebilligt, um die Einstellung der venezolanischen Bevölkerung zur Frage der Souveränität in Essequibo festzustellen. Die Entscheidung der Legislative sei eine Reaktion auf die "unverschämten Äußerungen der US-Regierung", die eine offensichtliche Aggression gegen die Souveränität Venezuelas darstellten, sagte der Präsident der AN und Mitglied der Regierungsfraktion Jorge Rodríguez.