Kolumbien / Israel / Politik

Starke politische Spannungen zwischen den Regierungen von Israel und Kolumbien

Geht es bis zur Ausweisung des israelischen Botschafters? Antisemitismusvorwürfe und "Alarm" bei der alten kolumbianischen Elite

kolumbien_petro_230919-13-asamblea-general-onu-1280.jpg

Petro hat schon vor der aktuellen Eskalation mehrfach eine "Doppelmoral" beim Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt angeprangert, so bei der UN-Generalversammlung am 19. September
Petro hat schon vor der aktuellen Eskalation mehrfach eine "Doppelmoral" beim Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt angeprangert, so bei der UN-Generalversammlung am 19. September

Bogotá. Seit der militärischen Antwort von Israel auf den Angriff palästinensischer Kräfte am 7. Oktober haben sich zwischen Kolumbien und Israel heftige Spannungen entwickelt. Äußerungen des kolumbianischen Präsidenten, Gustavo Petro, zum Vorgehen Israels im Gaza-Streifen und offizielle israelische Reaktionen haben zu einer beispiellosen diplomatischen Krise geführt.

Ein Vergleich des Gaza-Streifens unter israelischem Bombardement mit dem Warschauer Ghetto und viele weitere Posts von Petro auf X (ehemals Twitter) mündeten in eine offizielle Erklärung Israels, dass das Land seine Exporte von Sicherheitsausrüstung nach Kolumbien beende.

Der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Lior Haiat, veröffentlichte eine entsprechende Erklärung seiner Regierung. Im Übrigen sei "die kolumbianische Botschafterin in Israel, Margarita Manjarrez, nach den feindseligen und antisemitischen Äußerungen des kolumbianischen Präsidenten Gustavo Petro gegen den Staat Israel in der vergangenen Woche zu einem rügenden Gespräch einbestellt" worden.

Israel verurteile die Äußerungen Petros, "die eine Unterstützung der von den Hamas-Terroristen begangenen Gräueltaten zum Ausdruck bringen, den Antisemitismus schüren, die Vertreter des Staates Israel beeinträchtigen und den Frieden der jüdischen Gemeinschaft in Kolumbien bedrohen", so die offizielle Note weiter.

Kolumbiens Außenminister Álvaro Leyva forderte wegen ähnlicher Aussagen den israelischen Botschafter in Kolumbien auf: "Entschuldigen Sie sich wenigstens und gehen Sie". Leyva stellte später klar, dass dies "keine Ausweisung" gewesen sei. Diese Erläuterung bezog sich auch auf Petros erklärte Bereitschaft, einen Bruch der Beziehungen mit Israel in Kauf zu nehmen: "Wenn die außenpolitischen Beziehungen zu Israel ausgesetzt werden müssen, setzen wir sie aus".

Petro postete: "Mir wurde vorgeworfen, ich sei antisemitisch und unterstütze die Hamas. Das ist ignorant. Ich kann keine Organisation verteidigen, die die Verbindung von Religion und Staat stützt". Davor hatte der kolumbianische Präsident geschrieben: "Die Hamas und die israelische Rechte ernähren sich vom Blut des jeweils anderen".

Einen Tag nach dem Hamas-Angriff in Israel gab das kolumbianische Außenministerium in einer Erklärung bekannt, dass die Regierung "die Angriffe auf die Zivilbevölkerung, die gestern und heute Morgen stattgefunden haben, auf das Schärfste verurteilt".

In einem weiteren Post erklärte der Präsident, dass die Position seiner Regierung im "Einklang mit der Mehrheit der Nationen der Welt" sei und verteidigte die Außenpolitik seiner Regierung.

"Wir setzen uns für ein Friedensabkommen ein, das die beiden Staaten Palästina und Israel, ihre Souveränität und Freiheit sowie die Grenzen von 1967 anerkennt". Die Besetzung der palästinensischen Gebiete müsse beendet werden.

Petro warnte davor, dass "die Rechtsextremen" auf beiden Seiten des Konflikts zu "einem Weltenbrand" hinführen. Es müsse jedoch "ein Verantwortungsgefühl für die Menschheit geben".

"Bei den gewalttätigen Aktionen der Parteien wurden Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit begangen, die von der Justiz der beiden Länder oder der internationalen Justiz untersucht werden müssen", mahnte Petro an und forderte eine Waffenruhe, um weitere zivile Opfer zu verhindern. Sein Land plane, humanitäre Hilfe nach Gaza zu schicken.

Im Kolumbien wird die diplomatische Zuspitzung weithin kommentiert. Das ultrarechte Nachrichtenmagazin Semana präsentierte unter der Überschrift "Alarm: Zusammenstoß zwischen Kolumbien und Israel trifft die Streitkräfte und bedroht die nationale Sicherheit des Landes" eine Reihe prominenter Stimmen aus Politik und Militär, die Präsident Petro scharf kritisieren und die Kooperation zwischen Israel und Kolumbien für die Sicherheit des südamerikanischen Landes als "unabdingbar" erachten.

Im militärischen und polizeilichen Bereich von Kolumbien haben Lieferungen, Know-how, Wartung und Beratung durch Israel große Bedeutung. Das Portfolio reicht von Flugabwehrbatterien über Kampfflugzeuge bis zu Sicherheitskameras. Kolumbien importiert Munition für Infanteriewaffen aus Israel, es gibt Abkommen über die Produktion von Waffen, Sprengstoff und Munition.

Marta Lucía Ramírez, ehemalige Außen- und Verteidigungsministerin unter den Regierungen von Álvaro Uribe und Iván Duque, erklärte: "Für die Zukunft unserer Militär- und Polizeikräfte wird sich der Verlust dieser Zusammenarbeit zweifellos sehr negativ auswirken". Israel sei einer der wenigen Staaten gewesen, "die Kolumbien auf dem Höhepunkt des Terrorismus militärische und sicherheitspolitische Unterstützung gewährten", erinnerte sie.

Die Beteiligung Israels am internen bewaffneten Konflikt in Kolumbien wurde 2011 nach der Veröffentlichung von Depeschen der US-Botschaft in Bogotá auf Wikileaks breiter bekannt (amerika21 berichtete). Die Regierung von Uribe (2002-2010) nutzte im Rahmen der Praxis extralegaler Hinrichtungen demnach vor allem israelische Unterstützung, um hochrangige Aufständische zu töten.

Der ehemalige Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón, der auch Botschafter in den USA war, bezeichnet die diplomatische Krise als "ernst". Der "Zugang zu israelischem Material" mache "einen großen Teil der strategischen Kapazität des Landes" aus. Pinzón warf Petro vor, "vielleicht daran interessiert" zu sein, die Streitkräfte in Kolumbien "zu schwächen".

Indes sind die vielen Posts von Präsident Petro zur Eskalation in Nahost weniger auf den Konflikt Israel-Palästina fokussiert als es der aktuelle Skandal erscheinen lässt. Sie fügen sich ein in die politische Agenda über Friedens-, Umwelt- und Sozialpolitik, die die erste linke Regierung Kolumbiens seit ihrem Amtsantritt vorgelegt hat.

"Wir steuern auf die Barbarei zu, wenn wir die Machtverhältnisse nicht ändern. Das Leben der Menschheit und insbesondere der Menschen im Süden hängen davon ab, wie die Menschheit die durch den Reichtum des Nordens verursachte Klimakrise überwinden wird. Gaza ist nur der erste Vorgeschmack darauf, dass wir alle überflüssig sind", bekundet Petro in einem weiteren Post seine Überzeugung, die er bereits ähnlich in internationalen Gremien vorgetragen hat.