Santiago. Rund 100 chilenische Anwälte haben beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag Klage gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und weitere Regierungsvertreter wegen Völkermordes, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit eingereicht.
Die Mehrzahl der Beschwerdeführer gehört der palästinensischen Gemeinschaft an, die schätzungsweise 500.000 Menschen umfasst und damit die größte der Welt außerhalb Israels und der arabischen Welt ist.
Auch die Mitglieder des Senats Ximena Rincón, Paulina Vodanovic, Iván Moreira, Francisco Chahuán, Sergio Gahona und Alfonso de Urresti schlossen sich an. Sie verurteilten "die unverhältnismäßigen israelischen Repressalien" seit dem Angriff der Hamas und mehrerer palästinensischer Widerstandsgruppen am 7.Oktober vergangenen Jahres.
Die Klage richtet sich gegen Verstöße gegen die Vierte Genfer Konvention von 1949 und hat "die schweren Gräueltaten“ der israelischen politischen und militärischen Behörden gegen 2,3 Millionen Palästinenser im Gazastreifen zum Gegenstand.
"Diese Verbrechen dauern seit fast 90 Tagen an, Tag und Nacht, mit wahllosem Bombardement der Bevölkerung in Gaza, mit der Zerstörung ganzer Wohnviertel, ohne Unterscheidung zwischen Zivilisten und Kämpfern", sagte der Völkerrechtsanwalt und ehemalige chilenische Botschafter in Ägypten und Jordanien, Nelson Hadad, bei einer Pressekonferenz.
Es sei die Pflicht aller Länder, "Kriegsverbrecher anzuprangern, damit sie zur Rechenschaft gezogen werden können, ihre Verantwortung übernehmen, gemäß den Strafen des Römischen Statuts bestraft werden und auch die Opfer entschädigt werden können", so Hadad.
Die chilenischen Anwälte fordern unter anderem die Ausstellung eines internationalen Haftbefehls gegen den israelischen Regierungschef, den Generalstabschef der Streitkräfte, Herzi Halevi, Verteidigungsminister Yoav Gallant sowie weitere führende Militärs und Politiker.
Die Klage wurde vor der Weihnachtspause beim IStGH eingereicht, damit sie von den Beamten bei der Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit am 8. Januar behandelt werden kann.
Zuvor hatte die Regierung von Südafrika Israel bereits vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) verklagt. "Die von Südafrika beanstandeten Handlungen und Unterlassungen Israels haben völkermörderischen Charakter, weil sie darauf abzielen, einen wesentlichen Teil der nationalen, rassischen und ethnischen Gruppe der Palästinenser zu vernichten." Israel verstoße damit gegen die Konvention zur Verhütung und Bestrafung des Völkermordes von 1948, die beide Länder unterzeichnet haben, heißt es zur Begründung.
Südafrika fordert zudem, dass die UN-Richter in einem Eilverfahren ein Ende der Gewalt gegen Palästinenser anordnen, um deren Rechte zu schützen.
Die israelische Regierung erklärte dazu, die Klage sei "ohne rechtliche Grundlage" und beschuldigte Südafrika der "Kollaboration mit einer terroristischen Gruppe, die zur Vernichtung Israels aufruft".
Die Anhörungen vor dem IGH sind für den 11. und 12. Januar angesetzt.
Nach offiziellen palästinensischen Angaben sind bereits mehr als 22.000 Menschen den israelischen Bomben zum Opfer gefallen, mehr als zwei Drittel davon sollen Frauen und Kinder sein. Die Behörden gehen davon aus, dass die Zahlen noch steigen werden, da Tausende von Menschen unter den Trümmern noch vermisst werden. Die Angriffe der israelischen Streitkräfte sollen demnach bereits 60 Prozent des Gazastreifens vollständig zerstört und fast alle Bewohner zur Flucht gezwungen haben.