Argentinien / Politik

Regierung in Argentinien muss Entwurf für Ermächtigungsgesetz zurückziehen

Schwerer Rückschlag für Milei: "Ley Ómnibus" im Parlament gescheitert. Präsident beschimpft Abgeordnete als "Verräter" und droht Gouverneuren

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Tausende protestierten vor dem Kongress in Argentinien, Sicherheitskräfte gingen gewaltsam gegen sie vor
Tausende protestierten vor dem Kongress in Argentinien, Sicherheitskräfte gingen gewaltsam gegen sie vor

Buenos Aires. Die Regierung von Präsident Javier Milei hat am Dienstag überraschend beschlossen, den im Parlament verhandelten Entwurf des äußerst umstrittenen "Ley Ómnibus" zurückzuziehen und es wieder an die Parlamentskommission zu schicken.

Der Entwurf umfasste ursprünglich 664 Paragraphen, die zahlreiche Gesetze modifizieren oder abschaffen sollten und in praktisch jeden Aspekt des Gemeinwesens einwirken würden. Er zeigte einerseits ultraliberale Maßnahmen zur Zerlegung des Staates, aber auch Ansätze zur Unterdrückung jedes Widerstands dagegen. Verschiedene Teile des Gesetzes konnten auch den wirtschaftlichen Akteuren zugeordnet werden, die dahinter standen. Nach Urteil vieler Experten war der Entwurf jedoch nicht nur verfassungswidrig, sondern auch handwerklich schlecht gemacht.

Um verabschiedet zu werden, muss ein Gesetzesentwurf zuerst einer Parlamentskommission vorgelegt werden, die ihn prüft und ein Gutachten verfasst. In dieser Phase finden in der Regel die Verhandlungen zwischen den Fraktionen statt, um eine Konsens-Fassung zu finden, der zugestimmt werden kann. Danach wird es beiden Kammern zur Abstimmung vorgelegt.

Aber schon die Kommissionsphase erwies sich als äußerst turbulent. Zahlreiche Abschnitte des Gesetztes mussten zurückgezogen werden, sei es durch Druck von bestimmten Interessengruppen oder weil einige Alliierte der Regierung zu große Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bestimmter Paragraphen hatten. Der "harte Kern" der Opposition hält dagegen den kompletten Entwurf für verfassungswidrig.

Es wurde skandalös, als sich herausstellte, dass die letzte Version nicht im Parlament, sondern in einem Hotel und einer Privatwohnung ausgehandelt wurde. Der Verdacht der Korruption machte sich breit, angefeuert von einem Kommentar des Präsidenten selbst, der die kritischen Abgeordneten als käuflich bezeichnete und sie beschuldigte, Geld für Ihre Stimmen zu fordern.

Die endgültige Fassung enthielt dann nur noch 382 Artikel. Das Parlament begann die Abstimmungen darüber, ohne sie jedoch zu kennen, da sie erst am zweiten Tag vorgelegt wurde. Anscheinend zirkulierten sogar abweichende Versionen davon. Am Freitag gab es nach drei Tagen Debatte eine erste Abstimmung, die das Gesetz grundsätzlich bestätigte. Ab Dienstag sollte dann Abschnitt für Abschnitt diskutiert werden.

Vor dem Parlament fanden in diesen Tagen massive Proteste statt, hart unterdrückt durch ein enormes Aufgebot der Sicherheitskräfte.

Als am Dienstag die Diskussion wieder aufgenommen wurde, schien es zunächst gut für die Regierung zu laufen, als die ersten beiden Punkte eine Mehrheit bekamen. Darunter die mehr als zweifelhafte Abtretung von legislativen Funktionen an den Präsidenten. Als es jedoch darum ging, den Umfang dieser Funktionen zu definieren, sprangen viele Abgeordnete der Milei "freundlich gesinnten" Opposition ab und die Anträge scheiterten. Grund war anscheinend die Feststellung, dass seit Freitag erneut Änderungen in den Text eingeflossen sind, die nicht abgesprochen waren.

Um nicht das Gesicht zu verlieren, beschloss die Regierungsfraktion, den Entwurf zurückzuziehen und wieder in die Kommissionsphase zu gehen.

Es ist unklar, ob der Partei Mileis dabei klar war, dass damit auch die bereits erzielten Zustimmungen zunichte gemacht wurden.

Der Präsident, zu diesem Zeitpunkt in Israel auf Staatsbesuch, behauptete, er selbst habe diese Entscheidung getroffen. Er beschimpfte die Abgeordneten, die umgekippt waren, als Verräter und drohte den Provinzgouverneuren, die er für verantwortlich hält, mit Konsequenzen. Die Pressestelle des Präsidenten veröffentlichte eine Liste der Abgeordneten, die dagegen gestimmt hatten.

Die Regierung erwägt nun, das Gesetz per Volksentscheid durchzudrücken. Die Verfassung sieht jedoch keine bindenden Volksbefragungen vor. Es ist außerdem fraglich, ob der Rückhalt in der Gesellschaft nach den harten wirtschaftlichen Einschnitten, die nicht wie versprochen die Politkaste getroffen haben, sondern die allgemeine Bevölkerung, noch so hoch ist, um dieses Risiko einzugehen.