Wahlkampf in Mexiko von Welle politischer Gewalt begleitet

UN besorgt über Ausmaß der Präsenz des organisierten Verbrechens. Bereits mehrere Kandidat:innen ermordet. Regierungspartei und Bürgermeisterkandidat:innen am stärksten betroffen

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Gedenken an General Lázaro Cárdenas: Der amtierende Präsident von Mexiko bemüht sich um die Sicherung der natürlichen Ressourcen für das eigene Land
Gedenken an General Lázaro Cárdenas: Der amtierende Präsident von Mexiko bemüht sich um die Sicherung der natürlichen Ressourcen für das eigene Land

Mexiko-Stadt. Am 2. Juni wird Mexiko die größten Wahlen seiner Geschichte abhalten, bei denen über 20.000 öffentliche Ämter neu besetzt werden. Doch wie sich bereits abzeichnet, könnten die Wahlen zugleich die blutigsten der Geschichte werden. Denn das organisierte Verbrechen hat bereits Dutzende Todesopfer unter Politiker:innen gefordert.

Bei einer Pressekonferenz am Donnerstag gab Guadalupe Taddei, Präsidentin des Nationalen Wahlinstituts (INE) bekannt, dass bereits 74 Kandidat:innen für öffentliche Ämter unter Schutz der Sicherheitskräfte stehen. Darunter befinden sich die drei Präsidentschaftskandidat:innen Claudia Sheinbaum, Jorge Álvarez und Xóchitl Gálvez, sowie vier Kandidat:innen für Gouverneursämter. Die Anträge von neun weiteren Anwärter:innen werden derzeit überprüft, so Taddei.

Die Vereinten Nationen haben (UN) sich angesichts des Ausmaßes an Gewalt besorgt gezeigt. Volker Türk, Hoher Kommissar der UN für Menschenrechte, hat die mexikanische Regierung aufgefordert, den Wahlprozess vor Gewalt zu schützen. In Mexiko, sowie Ecuador, Haiti und Honduras, habe die Vorherrschaft des organisierten Verbrechens und ihre Gewalt schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben und die Rechte von Millionen von Menschen.

Türk kritisiert, dass strafrechtliche und militarisierte Antworten der betroffenen Staaten zu schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen geführt haben, was die Gewalt zusätzlich befeuert. "Es ist notwendig, Korruption, Straflosigkeit, schlechte Regierungsführung und die tiefgreifenden strukturellen Ursachen der Gewalt anzugehen", fordert Türk. Auch müsse die internationale Zusammenarbeit verbessert werden, um "den illegalen Waffenhandel anzugehen und die Rechenschaftspflicht über transnationale Verbrechen sicherzustellen". Bei all dem müsse die volle Beteiligung der Zivilgesellschaft und der betroffenen Gemeinschaften garantiert werden, so Türk.

Mexikos linker Präsident Andrés Manuel López Obrador (Amlo) hat die Kritik der UN scharf zurückgewiesen. Bei einer Pressekonferenz kritisierte er: "Der Hohe Kommissar ist, mit allem Respekt, sehr tendenziös, er ist gegen uns und verbündet sich mit denen, die zeigen wollen, dass Mexiko ein sehr gewalttätiges Land ist".

Die mexikanische Opposition macht indes die Regierungspartei Morena für die Gewalt verantwortlich. Alejandro Moreno Cárdenas, Vorsitzender der PRI (Partei der Institutionellen Revolution), die Mexiko über Jahrzehnte autoritär regierte, kritisierte: "Es ist bedauerlich, dass so etwas passiert, weil die Regierung von Morena nicht in der Lage ist, Ergebnisse zu liefern". Ein fairer Wahlkampf sei unter diesen Bedingungen kaum möglich. "In praktisch 60 Prozent der Gemeinden des Landes kann man nicht reisen", so Moreno Cárdenas

Am 2. Juni fallen Wahlprozesse aller staatlichen Ebenen zusammen. Neben dem Präsidentenamt wird das komplette Bundesparlament, neun Regierungsämter von Bundesstaaten, darunter der Bundesdistrikt von Mexiko-Stadt und die drei bevölkerungsreichen Bundesstaaten Jalisco, Puebla und Veracruz, sowie zahlreiche Ämter auf lokaler Ebene neu besetzt.

Da es keine behördlichen Zahlen gibt, sind die veröffentlichten Zahlen von Nichtregierungsorganisationen und politischen Beratungsfirmen die einzigen Daten über das Ausmaß der politischen Gewalt. Data Cívica zählte mindestens 10 getötete Kandidat:innen im ersten Quartal 2024. Alleine im Februar sollen 36 Beamte und Familienangehörige von Politiker:innen ermordet worden sein. Die Beratungsfirma Data Int. kommt auf höhere Zahlen: 20 Kandidat:innen sowie weitere 76 Personen, die "potenziell mit dem Wahlprozess verbunden sind", sollen bis Mitte März ermordet worden sein. Die Beratungsfirma Integralia zählt 1,3 Mordversuche pro Tag.

Laut dem Bericht von Data Cívica ist die linke Regierungspartei Morena, die mit Amlo den Präsidenten des Landes und 21 Gouverneure mexikanischer Bundesstaaten stellt, mit 31,8 Prozent die am stärksten von Gewalt betroffene Partei. "Die Kandidat:innen der Regierungspartei sind für kriminelle Gruppen von größerem Interesse, da ihre Nähe zur Macht ihre Interessen fördern oder beeinträchtigen kann", fügt der Bericht hinzu. Laut Data Cívica richten sich 54,5 Prozent der Angriffe gegen Lokalpolitiker:innen, insbesondere Bürgermeisterkandidat:innen. Bürgermeister:innen kontrollieren die örtliche Polizei und öffentliche Bauprojekte, verfügen über direkten Zugang zur lokalen Wirtschaft und können Straffreiheit gewähren. Für das organisierte Verbrechen ist das von herausragender Bedeutung.

Data Cívica weist auch darauf hin, dass kriminelle Banden in Wahlperioden Kampagnen finanzieren, Kandidat:innen aufstellen, Stimmen beeinflussen, in Wahllokalen Einfluss nehmen und Kandidat:innen oder Amtsträger:innen entführen oder bedrohen, um sie zur Zusammenarbeit zu zwingen. Die westlichen und südwestlichen Bundesstaaten Guerrero, Michoacán und Chiapas führen die Liste der Staaten mit den meisten Gesamtopfern an.