Konfrontation zwischen Regierung und sozialen Organisationen in Argentinien

argentinien_proteste_comedores_populares.jpg

Proteste von Mitarbeiterinnen der Ollas populares gegen die Regierung Milei in Argentinien
Proteste von Mitarbeiterinnen der Ollas populares gegen die Regierung Milei in Argentinien

Buenos Aires. Argentiniens Präsident Javier Milei hat kürzlich erneut erklärt, dass er die "stärkste Strukturanpassung der Geschichte nicht nur Argentiniens, sondern der Menschheitsgeschichte" durchführe.

Die Folgen seiner Politik sind tatsächlich katastrophal. Die produktive Wirtschaft ist zusammengebrochen und schreibt die schlechtesten Zahlen seit Jahrzehnten, die Rezession ist inzwischen größer als während der Pandemie. Durch die Abwertung des Pesos sind die Reallöhne stark gefallen. Mindestens 270.000 registrierte Arbeitsstellen sind weggefallen und vermutlich viel mehr irreguläre. Die Arbeitslosigkeit und demnach die Armut steigt rasant und ist inzwischen auf dem Niveau von nach der Krise 2001. Seit Mileis Amtsübernahme gibt es 3,6 Millionen mehr Menschen, die in Armut leben.

Der Fleischkonsum ist deshalb auf dem tiefsten Stand seit dreißig Jahren, der Verbrauch von Milchprodukten ist seit Jahresbeginn um 20 Prozent zurückgegangen und viele Menschen können ihre Grundbedürfnisse nicht mehr decken. Im Norden kommt es bereits zu Unruhen, in weiteren Provinzen gärt es.

In diesem Kontext machte letzte Woche das Internetportal El Destape publik, dass die Regierung über 5.000 Tonnen Lebensmittel hortet, die von der Vorgängerregierung für die "Ollas Populares" (Volksküchen) gekauft worden waren und bereits dem Verfall sehr nahe sind.

Diese Volksküchen sind Teil eines Netzwerkes sozialer Organisationen, die traditionell die Folgen der wiederkehrenden Krisen abfedern. Viele davon sind peronistisch, andere stehen weiter links, viele gehören zur katholischen oder evangelischen Kirche. Wiederum andere sind Zusammenschlüsse selbst organisierter Nachbarn, die oft nur kurzzeitig bestehen. Die Freiwilligen sind mehrheitlich Frauen, viele erhielten unter den Vorgängerregierungen einen kleinen Lohn. Während der großen Krise 2001 wurden zeitweilig bis zu zehn Millionen Menschen über diese Organisationen versorgt.

Der Anwalt und linksperonistische Präsidentschaftskandidat bei den Vorwahlen, Juan Grabois, sagte jüngst in einem Interview, diese Organisationen spielten eine wichtige Rolle bei der Eindämmung des Drogenhandels, da sie für eine soziale Grundstruktur und Rückhalt sorgten. Sie seien der Grund, dass, mit Ausnahme des Großraums Rosarios, in den Ballungsgebieten Argentiniens bisher noch keine Zustände wie in anderen lateinamerikanischen Metropolen herrschten. Dies wird auch von anderen Akteuren betont.

Die Regierung hatte alle Zahlungen und Lieferungen an die sozialen Organisationen eingestellt (ausgenommen die evangelikalen Küchen). Zur Begründung hieß es, dass es Korruptionsfälle und "Geisterküchen" gebe und dass sie die Menschen im großen Stil erpressen würden, an politischen Märschen und Demonstrationen teilzunehmen. Vorletzte Woche führte die Polizei eine Großrazzia mit zahlreichen Hausdurchsuchungen im Großraum Buenos Aires durch.

Gegen die zuständige Ministerin Sandra Petovello wird indes ebenfalls ermittelt: Wegen der Einstellung der Zahlungen und Lieferungen an die Volksküchen, da diese im Staatsbudget vorgesehen waren, und es sich zum Teil auch um die Umsetzung von UN-Programmen handle.

Regierungssprecher Manuel Adorni bestätigte die Existenz der Lebensmittel, behauptete aber, sie seien als Notreserve für Katastrophen gedacht. Es gab im Laufe des Jahres jedoch bereits mehrere schwere Umweltkatastrophen, bei denen die Zentralregierung nichts beisteuerte und die Last komplett auf die Provinzen oder Kommunen abwälzte.

Die katholische Kirche fordert in einer Stellungnahme die Regierung auf, die Lebensmittel zweckgemäß an die Volksküchen auszuliefern.