Estreito et al. Nach dem Einsturz der Brücke Juscelino Kubitschek de Oliveira im Norden Brasiliens hat die Regierung Wasserproben aus dem Fluss Tocatins entnommen. Grund dafür waren zwei mit Herbizid und Schwefelsäure beladene LKW, die während des Unglücks in den Fluss gestürzt sind (amerika21 berichtete).
Die Studie ergab, dass die Pestizide den Fluss nicht kontaminiert haben. Dennoch weisen die Untersuchungen auf das Vorkommen des Herbizids 2,4-D mit einer Konzentration von 0,2 Mikrogramm pro Liter im Wasser hin. Das Vorhandensein des Herbizids, das in Brasilien weit verbreitet ist, im Fluss Tocantins sei "normal". Die Konzentration von 2,4-D stelle für die Regierung kein Anzeichen für eine Verunreinigung des Wassers dar, so die Studie.
In der Europäischen Union (EU) und anderen Ländern ist die Substanz hingegen verboten und wird von internationalen Gremien als krebserregend eingestuft.
Bei dem Herbizid handelt es sich um ein hochgiftiges chemisches Entlaubungsmittel. Es ist Bestandteil des so genannten "Agent Orange", das die USA im Vietnamkrieg zur Entlaubung von Wäldern einsetzten, in denen sie Kämpfer:innen der Nationalen Befreiungsfront Südvietnams vermuteten. Auch Nutzpflanzen wurden gezielt zerstört. Viele hunderttausend Bewohner der betroffenen Gebiete und bis zu 200.000 US-Soldaten erkrankten, Millionen Opfer leiden laut der Vietnamese Association of Victims of Agent Orange an Spätfolgen.
Das Vorkommen solcher gesundheits- und umweltschädlichen Stoffe im Wasser Brasiliens ist keine Seltenheit. Eine Studie von Repórter Brasil im Jahr 2023 zeigte bereits auf, dass in 210 Gemeinden mindestens 27 Arten von Pestiziden im Wasser gefunden wurden.
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"Bei den Dosen, der Häufigkeit und der Vielfalt der in Brasilien verwendeten Pestizide kann man sagen, dass alle Flüsse kontaminiert sind. Daran gibt es keinen Zweifel. Der Grad der Kontamination kann variieren", betont Danilo Rheinheimer dos Santos, Professor an der Bundesuniversität Santa Maria und Experte für die Analyse von Pestiziden im Wasser.
Er bemängelt den Umgang Brasiliens mit Pestizidrückständen im Wasser: "Wenn wir Europäer wären, wäre das Wasser nicht zum Verzehr geeignet, da es 0,1 Mikrogramm pro Liter überschreitet. Wir sind aber Brasilianer, und das ist in Ordnung."
Die Pestizid-Forscherin Larissa Bombardi analysiert die flexiblen Pestizidregelungen Brasiliens im Vergleich zur EU und sieht darin koloniale Machtmechanismen.
"Wenn ich sehe, dass in Brasilien die zulässigen Glyphosat-Rückstände im Trinkwasser fünftausendmal höher sind als die in der EU zugelassenen, muss ich denken, dass die brasilianische, lateinamerikanische und afrikanische Bevölkerung in den internationalen Beziehungen insgesamt als Untermenschen betrachtet wird. Wir sind weniger wert“, kritisiert Bombardi.
Bombardi forscht seit Jahren zu Pestizigvergiftungen und musste 2021 nach Drohungen das Land verlassen (amerika 21 berichtete).