Brasilia. Eine Reihe sozialer Bewegungen und Organisationen in Brasilien haben Präsident Luiz Inácio Lula da Silva in einem offenen Brief aufgefordert, den Wahlsieg von Nicolás Maduro in Venezuela anzuerkennen und die Souveränität des Nachbarlandes zu "respektieren".
Zugleich hat eine Gruppe von Nichtregierungsorganisationen (NGO) Lula zu "konkreteren Maßnahmen" aufgerufen, um "einen demokratischen und friedlichen Übergang in Venezuela zu gewährleisten".
Beide Initiativen wurden im Hinblick auf die dritte Amtszeit gestartet, für die Präsident Maduro am 10. Januar vereidigt wird.
Der Ausgang der Präsidentschaftswahlen in Venezuela vom 28. Juli 2024 ist umstritten, nachdem die Wahlbehörde CNE nicht, wie bei früheren Wahlen üblich, die aufgeschlüsselten Ergebnisse der Abstimmung veröffentlichte. Gleichwohl erklärte der CNE Maduro zum Wahlsieger und das Oberste Gericht des Landes bestätigte dies.
Die Regierung von Brasilien hatte in der folgenden Kontroverse eine vermittelnde Position eingenommen, dabei jedoch ausgedrückt, dass sie "weiterhin auf die Bekanntgabe der nach Wahllokalen aufgeschlüsselten Ergebnisse" warte (amerika21 berichtete).
Zu den brasilianischen Bewegungen und Organisationen, die sich nun an Lula gewandt haben, gehören bekannte wie die Landlosenbewegung MST. Gewerkschaften wie der Central dos Trabalhadores e Trabalhadoras do Brasil (CTB) tragen den offenen Brief ebenso mit wie Medienschaffende, die Juristenvereinigung für Demokratie, verschiedene Jugendverbände, Afro-Organisationen, die feministische Bewegung Marcha Mundial das Mulheres, die União Nacional LGBT und Studierendenverbände.
In ihrem Schreiben heißt es, dass Brasiliens Anerkennung der Präsidentschaft Maduros "eine klare Botschaft der Unterstützung für den Frieden und die regionale Stabilität" senden würde. Schließlich sei "die regionale Integration eine der wichtigsten Achsen der Außenpolitik Ihrer Regierung", so der Appell an Lula.
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Das brasilianische Außenministerium hatte seinerzeit zum "friedlichen Verlauf" der Präsidentschaftswahlen gratuliert, ohne die Wiederwahl Maduros anzuerkennen. Im November sagte Lula jedoch, dass "Maduro Venezuelas Problem ist, nicht das Brasiliens", und verteidigte die Souveränität jedes Landes.
Die Verfasser des Schreibens halten "Dialog, Aufrichtigkeit, Empathie und Direktheit gegenüber der venezolanischen Regierung, vor allem in diesem kritischen Moment nach den Wahlen", wie auch gegenüber den anderen Ländern der Region, im Sinne der Integration für unerlässlich.
Die Basisorganisationen warnen vor den Risiken, "die das Erstarken extremistischer Bewegungen in Venezuela für die gesamte Region mit sich bringt". Sie klagen "den antidemokratischen und terroristischen Charakter einiger Teile der venezolanischen Opposition und der USA" an. Diese Kräfte und ihre Verbündeten außerhalb des Landes würden eine Agenda fördern, die nicht nur den inneren Frieden des Landes, sondern auch die Stabilität Lateinamerikas insgesamt bedrohe.
Eine gegenteilige Erwartung an Lula zeigen mehrere NGO, darunter auch Human Rights Watch und Transparency International. In einem ebenfalls offenen Brief wiesen sie darauf hin, dass fünf Monate nach den Wahlen die Betrugsvorwürfe der Opposition immer noch ignoriert würden, die Wahl-Protokolle in aufgeschlüsselter Form noch immer "nicht vorgelegt wurden", Maduro jedoch trotzdem am 10. Januar "seine dritte Amtszeit antreten wird".
Die Organisationen prangern "weit verbreitete Menschenrechtsverletzungen" und die "Missachtung des an den Wahlurnen zum Ausdruck gebrachten Volkswillens" an und argumentieren, dass "diese Situation von Brasilien weder normalisiert noch akzeptiert werden kann". Brasilien müsse vielmehr "entschlossen handeln".
Dafür solle die Regierung Lula bis zur Vorlage und Überprüfung der Ergebnisse des Wahlprozesses eine "Nichtanerkennung des Wahlergebnisses" erklären. Schließlich müsse Brasilien "Unterstützung für die organisierte Zivilgesellschaft" leisten, angesichts der "schweren Repression durch die derzeitige venezolanische Regierung", und sich für die Freilassung derer einsetzen, "die nach den Demonstrationen im Anschluss an die Wahlen im Juli willkürlich inhaftiert wurden".