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Präsident von Guyana wirft Venezuela "Überfall" auf eine Ölplattform von Exxon vor

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Der 160.000 Quadratkilometer große Esequibo-Streifen ist Gegenstand eines diplomatischen Streits zwischen Venezuela und Guyana
Der 160.000 Quadratkilometer große Esequibo-Streifen ist Gegenstand eines diplomatischen Streits zwischen Venezuela und Guyana

Georgetown/Caracas. Guyanas Präsident Irfaan Ali hat am Samstag das Eindringen eines bewaffneten venezolanischen Marineschiffs in umstrittene Gewässer angeprangert, in denen sich ausgedehnte Offshore-Ölfelder befinden. Diese werden vom US-Konzern Exxon Mobil und seinen Partnern Hess Corp. und CNOOC aus China erschlossen. Guyana werde alle seine internationalen Verbündeten, einschließlich der USA, umgehend benachrichtigen, so Ali in einer Fernsehansprache.

Noch am selben Tag reagierte Venezuela und bezeichnete die Äußerungen von Ali als Provokation. In einer Erklärung der Bolivarischen Streitkräfte (FANB) tags darauf wird die Durchfahrt des Schiffes "Patrullero Oceánico AB Guaiquerí (PO-11)" in Gewässern bestätigt, die "noch abzugrenzen sind". Die Marine Venezuelas habe anhand von Satellitenbildern die Anwesenheit von 28 ausländischen Bohrschiffen und Tankern in dem umstrittenen Gebiet festgestellt, die "mit Zustimmung der Regierung von Guyana das Völkerrecht grob verletzen und Aktivitäten zur Ausbeutung und Vermarktung von im Meerboden liegenden Kohlenwasserstoffen durchführen", so die Stellungnahme weiter.

Die Erklärung der FANB bezieht sich auf das für den Territorialstreik um das Esequibo-Gebiet und die zugehörigen Gewässer vor den Küsten Venezuelas und Guyanas bei den Vereinten Nationen hinterlegte Rechtsinstrument, dass eine einvernehmliche Lösung fordert: das Genfer Abkommen von 1966.

Nach der Unabhängigkeit Venezuelas im Jahre 1811 wurde der Esequibo zunächst als venezolanisches Gebiet ausgewiesen. 1814 erwarb Großbritannien Teile des heutigen Guyanas von den Niederlanden. 1899 sicherte ein internationales Schiedsgericht British Guyana die absolute Kontrolle über das Gebiet zu. Venezuela hält dieses Urteil aufgrund der Abwesenheit venezolanischer Verhandlungsführer für unrechtmäßig.

Wenige Monate vor der Unabhängigkeit Guyanas im Jahr 1966 erkannte Großbritannien im "Vertrag von Genf" an, dass der Konflikt durch Verhandlungen gelöst werden soll und eine für beide Seiten zufriedenstellende Lösung gefunden werden muss. Caracas betrachtet dieses Abkommen als einziges verbindliches Instrument zur Lösung der Grenzfrage.

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Guyana beruft sich dagegen bis heute auf den Schiedsspruch von 1899 und reichte 2018 einen Antrag beim Internationalen Gerichtshof ein, um diesen für rechtsgültig zu erklären. Das US-Außenministerium stellte sich nach der neuesten Verschärfung der Spannungen hinter Exxon und die Position Guyanas und drohte mit "Konsequenzen für das Maduro-Regime". Die USA würden "den Schiedsspruch von 1899" unterstützen.

Der Territorialstreit gewann 2015 nach der Entdeckung großer Ölvorkommen in dem strittigen Gebiet eine neue Dimension.

Im Dezember 2023 hatten die Präsidenten von Venezuela und Guyana sich in St. Vincent und den Grenadinen bei einem ersten Treffen auf einen kontinuierlichen direkten Dialog geeinigt, um die im Genfer Abkommen geforderte einvernehmliche Lösung anzustreben (amerika21 berichtete).

Seither beklagt Venezuela jedoch eine zunehmende Militarisierung durch die Kooperation Guyanas mit dem US Southern Command. Guyana kritisiert Venezuelas institutionellen und rechtlichen Vorkehrungen für das strittige Gebiet, die es als venezolanisch beanspruchen. Vor zwei Wochen ereignete sich ein Schusswechsel auf einem Grenzfluss zwischen mutmaßlichen Betreibern von illegalem Bergbau und Militärs von Guyana, bei dem mehrere Soldaten verletzt wurden. Auch hier beschuldigte Guyana Venezuela.

Die Karibische Gemeinschaft (Caricom), die Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (Celac), sowie Brasilien und Kolumbien hatten im Dezember bei den Gesprächen auf höchster Ebene eine vermittelnde Rolle eingenommen.