Brasília/Santiago. Der chilenische Präsident Gabriel Boric hat sich bei seinem Besuch in Brasilien in dieser Woche intensiv für das Infrastrukturprojekt des Biozeanischen Korridors stark gemacht.
In Brasília nahm er an der Eröffnung eines Runden Tisches mit brasilianischen Unternehmern und Regierungsvertretern teil, um Investitionsmöglichkeiten in diese Handelsroute zu evaluieren.
Der Biozeanische Korridor – eine rund 2.400 Kilometer lange Verbindung von Häfen im Norden Chiles (Antofagasta, Mejillones und Iquique) über Nordargentinien (Salta und Jujuy) und Paraguay bis zum Süden Brasiliens (Mato Grosso do Sul) – soll Atlantik und Pazifik auf direktem Landweg verbinden. Die Reisezeit für Güter würde sich im Vergleich zur Route durch den Panamakanal um über zehn Tage verkürzen.
Gerade die jüngsten Drohungen des US-Präsidenten Donald Trump gegenüber Panama, sich den Panamakanal "zurückzuholen", geben dem Biozeanischen Korridor nun eine neue Dimension als Alternativroute. Eine mögliche politische Instabilität rund um den Panamakanal rückt die Notwendigkeit robuster und unabhängiger Handelsrouten in den Vordergrund.
Boric zeigte sich überzeugt davon, dass "die Zukunft der Welt im Süden und insbesondere im pazifischen Ozean liegt", zu dem Chile Brasilien einen "privilegierten Zugang" mit "enormen Vorteilen" bieten könne.
Wie bereits am Vortag bei einem Treffen mit dem brasilianischen Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva sagte Boric, dass man auf den von den USA ausgelösten Handelskrieg mit "mehr Integration" reagieren müsse. Er verwies ebenso auf den Klimawandel und seine Auswirkungen auf den Panamakanal, die dessen Stabilität gefährden.
Zudem werde der "Corredor Bioceánico" ein Symbol dafür sein, "was Südamerika erreichen kann, wenn es sich zusammenschließt", so Boric.
Auch die brasilianische Regierung zeigt starkes Interesse am Gelingen des Projekts. Planungsministerin Simone Tebet, Hauptbefürworterin des Korridors, erklärte, dass "Südamerika ohne physische Integration keinen echten wirtschaftlichen Fortschritt erzielen wird". Sie betonte, dass der Korridor Brasilien näher an den asiatischen Markt bringe als jede Atlantikroute.
Da Brasilien schon 90 Prozent der für das Projekt nötigen Infrastruktur fertiggestellt hat, müsse man nun die vorhandenen Straßenabschnitte verbinden. Die fehlenden Verbindungsstücke in Paraguay, Argentinien und Chile sollen in den Jahren 2026 oder 2027 eingeweiht werden.
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Nach Angaben von Tebet wird die Route den Export von Produkten wie brasilianischem Fleisch und chilenischem Fisch erleichtern und die Transportkosten um bis zu 24 Prozent senken. Auch die Freihandelszone von Manaus sowie weitere Industrie- und Handelsregionen von Brasilien könnten von der effizienteren Logistik profitieren.
Carlos Henrique Sobral, Staatssekretär für Infrastruktur im brasilianischen Tourismusministerium, führte aus, dass das Projekt zudem auch den Tourismus in der Region ankurbeln soll. Der Korridor ermöglicht den Zugang zu Reisezielen wie dem Pantanal, Patagonien und den Anden.
Das ambitionierte Projekt sieht bis 2028 insgesamt 190 Bauvorhaben vor, darunter 65 Straßen, 40 Wasserstraßen und weitere Maßnahmen an Häfen, Eisenbahnlinien und Flughäfen.
Doch gerade im paraguayischen Chaco werden Bedenken dem Projekt gegenüber lauter. .
Die Indigene Ayoreo-Gemeinschaft befürchtet Auswirkungen des Korridors auf ihre Lebensweise und betont die Notwendigkeit, ihre Rechte und Territorien zu respektieren.
Negative Folgen für die Umwelt werden auch in den nördlichen Regionen von Chile erwartet, die schon jetzt unter den Folgen von hoher CO2-Belastung und Wasserknappheit leiden.
Kritiker bemängeln zudem die Weiterführung eines Wirtschaftsmodell, das Lateinamerika weiter von ausländischem Kapital abhängig mache. Statt reale regionale Integration zu fördern, würden vor allem große Konzerne wie die chilenische Luksic-Gruppe von dem Korridor profitieren.
Große Unternehmer würden die Früchte dieses Megaprojekts ernten, während die lokale Bevölkerung mit den Folgen zu kämpfen habe.