Karibik / Umwelt

Hurrikan Melissa verwüstet Jamaika, Kuba und Haití

Dutzende Todesfälle in der Karibik. 70 Prozent Jamaikas ohne Strom. Kuba meldet schwere Schäden, aber bisher keine Toten. Klimakrise verschlimmert Stürme

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Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel besucht die betroffenen Regionen
Kubas Präsident Miguel Díaz-Canel besucht die betroffenen Regionen

Kingston/Puerto Príncipe/Havanna. Hurrikan Melissa hat nach seinem Zug über Jamaika und Kuba zahlreiche Tote, Verletzte und massive Sachschäden hinterlassen. Mittlerweile hat der Sturm in deutlich abgeschwächter Form die Bahamas erreicht und zieht über den Bermuda-Inseln weiter.

In Jamaika wurden bislang sieben Todesopfer bestätigt. Rund 70 Prozent des Landes sind weiterhin ohne Strom, und einige Regionen sind von der Kommunikation abgeschnitten. Die Behörden warnen, dass die Opferzahlen weiter steigen dürften, sobald die Rettungsarbeiten voll anlaufen. Die meisten Toten meldet Haití, obwohl das Land nicht direkt auf dem Weg des Hurrikans lag. Im Süden trat der Fluss Petit-Goâve über die Ufer und tötete mindestens 40 Menschen, zehn weitere werden vermisst. In der Dominikanischen Republik kam eine Person ums Leben. Kuba berichtet von "massiven Schäden", bislang jedoch keinen Todesfällen.

Der Direktor des Caribbean Policy Development Centre (CPDC), einer NGO mit Sitz in Barbados, sagte: "Überall in der Karibik werden Hurrikane infolge der globalen Klimakrise immer heftiger, häufiger und unberechenbarer". Weiter erklärte er, dass jede Katastrophe die ohnehin schon fragilen wirtschaftlichen Bedingungen der Karibik belastet. Die stetig wachsenden Wiederaufbaukosten zwingen viele Regierungen zu neuen Schulden, wodurch die Region zu den am höchsten verschuldeten der Welt zählt. Auch die menschlichen und sozialen Folgen seien gravierend: Familien werden vertrieben, Gemeinschaften zerrissen, und jahrelange Entwicklungsfortschritte gehen verloren. Er fordert einen internationalen Schuldenerlass, der die historischen Ungleichheiten und die Klimabelastungen der karibischen Länder anerkennt. 

Melissa ist am Dienstag als Kategorie-Fünf-Hurrikan – der höchsten Stufe der Saffir-Simpson-Skala – mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 298 km/h auf die Küste Jamaikas getroffen. Damit zählt er zu den heftigsten Atlantikstürmen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1851 und gilt als der "Sturm des Jahrhunderts" für Jamaika. In der Nacht auf Mittwoch zog Melissa weiter nach Kuba und traf dort in der östlichen Provinz Santiago de Cuba mit Windgeschwindigkeiten der Kategorie Drei auf Land. Obwohl der Sturm beim Eintreffen auf den Bahamas nur noch Kategorie Eins erreichte, brachte sein weiträumiges Windfeld weiterhin sintflutartige Regenfälle, stürmische Böen und bedrohliche Sturmfluten mit sich.

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"Katastrophisch ist untertrieben für das, was wir hier beobachten", sagte Richard Solomon, Bürgermeister der im Südwesten Jamaikas gelegenen Stadt Black River, wo der Hurrikan erstmals auf Land traf. Laut dem UN-Team in Jamaika zeigen vorläufige Schadensanalysen ein "noch nie dagewesenes" Ausmaß an Zerstörung auf der Insel. "Ich glaube nicht, dass es auf Jamaika auch nur einen einzigen Menschen gibt, der nicht vom Hurrikan Melissa betroffen war", erklärte ein UN-Koordinator vor Ort.

In Kuba wurden etwa 735.000 Menschen in sechs Provinzen evakuiert oder in Sicherheit gebracht – das entspricht 7,5 Prozent der Gesamtbevölkerung und fast 18 Prozent der Einwohner dieser Regionen. Eine vorläufige Schadensbilanz hat die Regierung bislang nicht veröffentlicht. Dieses Schweigen sowie der Eindruck mangelnder Transparenz haben in Teilen der Bevölkerung Kritik ausgelöst. Als Reaktion darauf starteten Bürger:innen eigene Solidaritätsaktionen. Das Projekt Gegen-ist-Geben rief am Mittwoch über Facebook zu Spenden von haltbaren Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten für die am stärksten betroffenen Gemeinden im Osten Kubas auf. Viele Artikel der kubanischen Medien sprechen von starkem Zusammenhalt und Solidarität zwischen Nachbar:innen und Mitbürger:innen. Aus den hauptsächlich betroffenen östlichen Regionen wird berichtet, dass sich die Bevölkerung schon vor dem Eintreffen des Sturms eigenständig organisierte: Menschen halfen einander, Dächer mit Sandsäcken zu sichern, Fenster zu verstärken und ältere Nachbar:innen in Sicherheit zu bringen: "Niemand fragte, wem das Haus gehörte: Alle gehörten allen".

Mehrere Länder und internationale Organisationen haben Hilfe für die betroffenen Karibikstaaten angekündigt, darunter auch Deutschland. Die USA schlossen jedoch in ersten Statements Kuba von ihrer Liste der Empfängerländer aus. Später erklärte der US-Vizeminister Marco Rubio, die Vereinigten Staaten seien bereit, der kubanischen Bevölkerung in der Krise sofortige Unterstützung zu leisten. Er betonte, dass die US-Gesetzgebung trotz der langjährigen Sanktionen bestimmte Ausnahmen und Genehmigungen vorsehe, um private Lebensmittelspenden und humanitäre Hilfe zu ermöglichen. Der UN-Koordinator in Kuba, Francisco Pichón, wies darauf hin, dass die von den USA verhängte Blockade die Bereitstellung humanitärer Hilfe und die Versorgung der vom Hurrikan betroffenen Gebiete erheblich erschwere. Kuba sei infolge dieser Sanktionen weitgehend von internationalen Finanzinstitutionen und globalen Märkten ausgeschlossen, was die Finanzierung und Organisation von Katastrophenhilfemaßnahmen massiv behindere.