Die Außenpolitik des Martínez-Regimes in El Salvador 1931–1944

Die internationalen Beziehungen eines rechten Caudillos an der zentralamerikanischen Pazifikküste zwischen den USA und den Achsenmächten

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General Maximiliano Hernández Martínez, Präsident von El Salvador (1931-1944)
General Maximiliano Hernández Martínez, Präsident von El Salvador (1931-1944)

El Salvador stellte in den 1930er Jahren ein Unikum in Zentralamerika dar: Der 1931 ins Amt gekommene Maximiliano Hernández Martínez sympathisierte offen mit faschistischen Ideen und unterhielt engste Beziehungen mit Deutschland, Japan und Italien und den Marionettenregierungen dieser drei Achsenmächte. Während auch andere rechtsgerichtete Machthaber Lateinamerikas Sympathien für die faschistischen Staaten zeigten, ging kein Land auf dem amerikanischen Doppelkontinent in den Außenbeziehungen so weit wie das kleine El Salvador.

Die salvadorianische Verfassung war nach der US-Verfassung modelliert gewesen und für lange Zeit regierten Oligarchen der Kaffeewirtschaft in San Salvador.1 Ab 1914 erlebte das Land einen wirtschaftlichen Aufschwung. Doch dieser kam bei der breiten Bevölkerung nicht an: Anfang der 1930er Jahre litt El Salvador unter starker Überbevölkerung und einer Verarmung der Bevölkerung.2 Der US-Militärattaché für die zentralamerikanische Region, A. R. Harris, beschrieb in einem Bericht aus dem Jahr 1931, dass El Salvador praktisch keine Mittelklasse habe.3 Der Militär schätze ein, dass circa 30 bis 40 Familien das gesamte Land kontrollieren würden.4 Diese kontrollierten meist den Anbau von Kaffeebohnen und galten deswegen als „Kaffee-Oligarchen“.5 Infolge dieser unannehmbaren Zustände gründete 1931 der frühere Jurastudent Farabundo Martí die Salvadorianische Kommunistische Partei (Partido Comunista Salvadoreño).6

Im Januar desselben Jahres gewann der Sozialliberale Arturo Araujo die Präsidentschaftswahlen. Zu seinem Stellvertreter ernannte Araujo den Offizier Maximiliano Hernández Martínez, der ursprünglich mit seiner Nationalrepublikanischen Partei eigenständig angetreten war. Die kurze und turbulente Amtszeit Araujos beendete eine Gruppe junger Offiziere mit einem Putsch. Das somit ins Amt gekommene Direktorat ernannte den Vizepräsidenten Hernández Martínez zum neuen Präsidenten. Viele der Putschisten hatten bei ihm zuvor studiert.7 Während mehrere US-Botschafter im Land sich ungeschickt anstellten, konsolidierte Hernández Martínez seine politische Macht.8 Mit seinen Ansichten traf Martínez auf die Unterstützung der kleinen Oberschicht seines Landes.9 Der neue Präsident versuchte auch, die US-Botschaft zu überzeugen und sagte zu, dass El Salvador seine Kreditzurückzahlungen weiter tätigen wird.10 Doch die US-Regierung eine Kampagne zur Nichtanerkennung der neuen salvadorianischen Regierung, da sie keine Regierung anerkennen wollte, die nicht verfassungsgemäß zustande gekommen war.11

Währenddessen litten viele Bauern und Marginalisierte immer mehr unter den Folgen der Weltwirtschaftskrise. Der Interimsgeneralsekretär der kleinen Partei Farabundo Martí half den Ureinwohnern im Südwesten des Landes bei der Organisation und wurde deswegen festgenommen. Wenige Tage später mündete der Unmut im Januar 1932 in einem bewaffneten Aufstand, in dessen Zuge die Rebellen, meist Ureinwohner des Volkes der Pipilen und linke Revolutionäre, binnen weniger Tage einige Städte im Südwesten des Landes einnehmen konnten. Dabei gab es circa 100 Tote. Doch das Militär schlug mit voller Härte zurück: Bei der Rückeroberung und den konterrevolutionären Massakern (La Matanza) kamen zwischen 25.000 und 40.000 Menschen ums Leben. Martí beispielsweise wurde binnen eines Tages abgeurteilt und erschossen.12 Martínez nutzte sein Image als Herrscher mit harter Hand und konnte seine Macht weiter ausbauen. Den Aufstand lastete er der jungen kommunistischen Partei an. Auch die US-Diplomaten im Land glaubten, dass kommunistische Aufrührer hinter dem Aufstand gestanden hätten. Martínez erklärte am 8. Juni 1932, dass er keine internationale Anerkennung suchen würde. Außerdem strebe sein Land nicht an, demnächst Kredite aufzunehmen und beendete die Kreditzurückzahlungen an US-Banken.13 Als 1934 verschiedene lateinamerikanische Staaten das Martínez-Regime anerkannten, folgte auch die US-Regierung.

Nachdem 1932 das faschistische Japan das Marionettenregime in Mandschukuo im Nordosten Chinas etabliert hatte, erkannte zunächst kein Staat neben Japan dieses neue Regime an. Als zweites Land gestellte sich im Frühjahr 1934 El Salvador dazu.14 Lange Zeit blieben Japan, der Vatikan und El Salvador die einzigen Staaten, die Mandschukuo anerkannten.15 Der salvadorianische Konsul in Tokio erhielt nach der Anerkennung eine Audienz beim mandschurischen Kaiser Puyi. Im Sommer 1935 schlug Puyi einen Dreierpakt El Salvador-Japan-Mandschukuo vor.16 Dieser kam jedoch nicht zustande.

Auch wenn die mandschurisch-salvadorianischen Beziehungen symbolisch blieben, erlebte der Austausch zwischen dem kleinen zentralamerikanischen Land und Japan einen Aufschwung. Anfang 1934 erkannte die japanische Regierung das Martínez-Regime an.17 Ab 1935 war der japanische Botschafter in Mexiko-City in San Salvador nebenakkreditiert.18 Im November desselben Jahres kamen Gerüchte auf, dass die Regierung von Japan anstreben würde, eine Marinebasis in El Salvador zu errichten – die salvadorianische Regierung wies diese Behauptung jedoch zurück.19 Trotz alledem besuchte ein japanisches Kriegsschiff im Frühjahr 1936 einen salvadorianischen Hafen.20 Ab demselben Jahr unterhielt das Japanische Kaiserreich ein Konsulat in der salvadorianischen Hauptstadt.

Im Zuge des Abwendens von den klassischen westlichen Großmächten erklärte die salvadorianische Regierung im Sommer 1937 den Austritt aus dem Völkerbund.21 Dieser hatte Anfang der 1930er Jahre an Bedeutung verloren nachdem Deutschland und Japan ausgetreten waren. Mitte der 30er Jahre traten viele der lateinamerikanischen Staaten aus.

Doch es blieb nicht nur bei diplomatischen Ouvertüren El Salvadors gegenüber Japan. Martínez ernannte darüber hinaus 1935 den deutschen Konsul, Baron Wilhelm von Hundelshausen, zum Leiter der staatlich-geleiteten salvadorianischen Kreditbank Banco Hipotecario.22 Dies geschah, obwohl der Konsul dafür keinerlei Qualifizierung vorweisen konnte.23 In den ersten drei Jahren nach dem Amtsantritt Adolf Hitlers stieg der Handel zwischen El Salvador und Deutschland enorm an. Hatte die späte Weimarer Republik nur neun Prozent des Export-Import-Handels mit dem Land abgewickelt, stieg dieser Wert auf 25 Prozent bis zum Jahr 1937 an.24 Ein US-Offizier in der Panamakanalzone, damals eine US-Kolonie, drahtete nach Washington, dass Hundelshausen vorgeschlagen hätte, dass El Salvador Honduras einnimmt, Martínez Präsident beider Länder wird und somit ein gemeinsames Großreich schafft.25 Die Angst vor der deutsch-salvadorianischen Annäherung schien äußerst groß gewesen zu sein.

Martínez ernannte außerdem den deutschen General Eberhard Bohnstedt 1938 zum Leiter der Militärakademie des kleinen Landes. Die Regierung von Maximiliano Hernández Martínez soll sogar US-amerikanische Kriegspläne für den karibischen Raum an den nazideutschen Generalstab weitergeleitet haben.26 Im Jahr 1939 gab es eine öffentliche Zelebrierung des Geburtstags von Adolf Hitler in San Salvador.

Die salvadorianische Regierung erkannte als eines der ersten Länder überhaupt die faschistische Diktatur Francos in Spanien an.27 Nachdem das Dritte Reich 1939 die Tschechoslowakei zerschlagen hatte, entstand auf deutschem Druck hin im Osten der früheren Tschechoslowakei der slowakische Schutzstaat als Marionettenregime unter der wirtschaftlichen Kontrolle Berlins. Als einziger Staat der amerikanischen Hemisphäre erkannte El Salvador auch diesen Staat an. Ebenso trat El Salvador dem Antikominternpakt bei. Das Land wurde jedoch kein Achsenmitglied. Als militärischer Verbündeter Deutschlands und Italiens hätte das kleine Land an der Pazifikküste auch geringen militärischen Wert gehabt, da es von den Küsten Europas schwer zu erreichen ist. Die Aktivitäten der NSDAP-Auslandsorganisation und das rege Treiben von nazideutschen Korrespondenten im Land beunruhigten aber trotz alledem die US-Regierung.

Das Martínez-Regime suchte nicht nur enge Beziehungen mit Deutschland und Japan, sondern auch der dritten großen Achsenmacht: Ein italienischer Fluglehrer instruierte die kleine salvadorianische Luftwaffe.28 Im Jahr 1938 wurde auch bekannt, dass El Salvador Flugzeuge des italienischen Flugzeugherstellers Caproni kaufen würde.29

Doch es blieb nicht nur bei einer Annäherung an die Achsenmächte auf diplomatischer und wirtschaftlicher Ebene. Auch in seiner Immigrationspolitik zeigte sich der rechte Caudillo fremdenfeindlich. Martínez verbot die Einreise von allen Arabern, Hindus, Chinesen und Afroamerikanern.30 Im Jahr 1939 lehnte die Regierung auch die Einreise von jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland ab.31

Nach Kriegsbeginn in Europa erhöhte die US-Regierung den Druck auf San Salvador und der deutsche General Bohnstedt musste 1940 seinen Posten als Chef der Militärakademie räumen.32 Am 8. Dezember 1941 telegrafierte Maximiliano Hernández Martínez an US-Präsident Roosevelt. In der Nachricht beschrieb der salvadorianische Diktator den japanischen Angriff auf die US-Kolonie Hawaii als „ungerechtfertigt“. Außerdem ergänzte er, dass das Parlament seines Landes einstimmig Japan den Krieg erklärt hätte.33 Die Wiederannäherung an die USA stellte eine 180-Grad-Wendung der Außenpolitik des Caudillos dar. Ein US-Offizier übernahm dann die oberste Militärschule des Landes und El Salvador erhielt einen Kredit zum Waffenkauf aus Washington.34

Doch der Diktator sollte sich nicht mehr lange halten können.35 Eine breite Koalition aus den urbanen Zentren El Salvadors stürzte im so genannten Palmsonntagscoup das Martínez-Regime im Jahr 1944.36 Brigadegeneral Andrés Ignacio Menéndez, der bereits pro forma von August 1934 bis zum März 1935 als Präsident amtiert hatte, übernahm erneut die Regierungsgeschäfte. Es folgten in den Jahren darauf mehrere Präsidenten aus den Reihen des Militärs, die sich jeweils ins Amt putschten.

Die Erinnerungen an die Zeiten des Martínez-Regimes und des Widerstands gegen die damaligen Zustände werden bis heute wachgehalten. Nach dem Kommunisten Farabundo Martí benannte sich 1980 die Rebellenorganisation Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional, die als politische Partei seit 25 Jahren die politische Szene El Salvadors mitprägt, die seit den Parlamentswahlen 2009 die stärkste Fraktion im Parlament hat und seit 2014 mit Salvador Sánchez Cerén sogar bereits den zweiten Präsidenten des Landes stellt.

  • 1. Philip F. Dur: US Diplomacy and the Salvadorean Revolution of 1931, in: Journal of Latin American Studies, Jg. 30 (1998), Nr. 1, S. 95–119 (hier: S. 96).
  • 2. Manuel Caballero: Latin America and the Comintern, 1919–1943, Cambridge 2002, S. 52.
  • 3. David F. Schmitz: Thank God They're on Our Side: The United States and Right-Wing Dictatorships, 1921–1965, Chapel Hill (North Carolina) 2009, S. 62.
  • 4. Dermot Keogh: El Salvador 1932 – Peasant Revolt and Massacre, in: The Crane Bag, Jg. 6 (1982), Nr. 2, S. 7–14 (hier: S. 7).
  • 5. Dur: US Diplomacy and the Salvadorean Revolution of 1931, S. 106.
  • 6. Keogh: El Salvador 1932, S. 7.
  • 7. Kenneth J. Grieb: The United States and the Rise of General Maximiliano Hernandez Martinez, in: Journal of Latin American Studies, Jg. 3 (1971), Nr. 2, S. 151–172 (hier: S. 158).
  • 8. Dur: US Diplomacy and the Salvadorean Revolution of 1931; Grieb: The United States and the Rise of General Maximiliano Hernandez Martinez, S. 151–172.
  • 9. V. Bulmer-Thomas: The Political Economy of Central America since 1920, Cambridge 1987, S. 63.
  • 10. Grieb: The United States and the Rise of General Maximiliano Hernandez Martinez, S. 158.
  • 11. C. Harvey Gardiner: The Japanese and Central America, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs, Jg. 14 (1972), Nr. 1, S. 15–47 (hier: S. 19).
  • 12. Dur: US Diplomacy and the Salvadorean Revolution of 1931, S. 112.
  • 13. Ebenda, S. 115/116.
  • 14. Salvador Breaks Ban on Manchukuo, in: The New York Times, 22.05.1934.
  • 15. Florentino Rodao: Japan and the Axis, 1937–8: Recognition of the Franco Regime and Manchukuo, in: Journal of Contemporary History, Jg. 44 (2009), Nr. 3, S. 431–447 (hier: S. 432).
  • 16. Kang Teh Seeks Triple Pact, in: The New York Times, 23.06.1935.
  • 17. C. Harvey Gardiner: The Japanese and Central America, in: Journal of Interamerican Studies and World Affairs, Jg. 14 (1972), Nr. 1, S. 15–47 (hier: S. 19).
  • 18. Ebenda, S. 20.
  • 19. Salvador to Hold Gulf of Fonseca – No Special Agreement to Be Made With Japan at Tokyo Conference, in: The New York Times, 24.04.1935.
  • 20. Japan's Warships to Visit El Salvador Early in '36, in: The New York Times, 04.12.1935.
  • 21. El Salvador to Resign From League of Nations, in: The New York Times, 25.07.1937.
  • 22. Jessica Alpert: El Salvador Virtual Jewish History Tour, jewishvirtuallibrary.org [ohne Datum]. http://www.jewishvirtuallibrary.org/el-salvador-virtual-jewish-history-tour
  • 23. Thomas M. Leonard: Central America and the United States: The Search for Stability, Athens (Georgia) 1991, S. 111.
  • 24. Bulmer-Thomas: The Political Economy of Central America since 1920, S. 78.
  • 25. Leonard: Central America and the United States, S. 111.
  • 26. Armstrong/Shenk: El Salvador – The Face of Revolution, S. 31.
  • 27. Ebenda, S. 31.
  • 28. Jessica Alpert: El Salvador Virtual Jewish History Tour, jewishvirtuallibrary.org [ohne Datum]. http://www.jewishvirtuallibrary.org/el-salvador-virtual-jewish-history-tour
  • 29. El Salvador Army Buys 6 Italian Caproni Planes, in: The New York Times, 09.08.1938.
  • 30. Robert Armstrong/Janet Shenk: El Salvador – The Face of Revolution, Brooklyn (New York) 1982, S. 31.
  • 31. Jessica Alpert: El Salvador Virtual Jewish History Tour, jewishvirtuallibrary.org [ohne Datum]. http://www.jewishvirtuallibrary.org/el-salvador-virtual-jewish-history-tour
  • 32. Philip Williams/Knut Walter: Militarization and Demilitarization in El Salvador’s Transition to Democracy, Pittsburgh (Pennsylvania) 1997, S. 25.
  • 33. Gardiner: The Japanese and Central America, S. 21.
  • 34. Ebenda, S. 26.
  • 35. Salvadorianische Diplomaten halfen auch tausenden ungarischen Juden bei der Flucht aus den Gebieten der Achsenmächte; siehe: Randy Jurado Ertll: When El Salvador Saved Thousands Of Hungarian Jewish Refugees In World War II, huffingtonpost.com [ohne Datum]. http://www.huffingtonpost.com/randy-jurado/when-el-salvador-saved-th_b_13845590.html
  • 36. Héctor Lindo-Fuentes/Erik Kristofer Ching/Rafael Lara Martínez: Remembering a Massacre in El Salvador: The Insurrection of 1932, Roque Dalton, and the Politics of Historical Memory, Albuquerque (New Mexico) 2007, S. 109.
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