Honduras / Politik

Die Partei LIBRE und ihre Aufgaben

Eine Analyse der Genese der neuen Partei innerhalb der Widersprüche des heutigen Honduras'

Honduras durchläuft derzeit eine schwere sozio-politische und wirtschaftliche Krise, ausgelöst durch den Verschleiß der alten, liberal-konservativen Parteienlandschaft, mit ihren im Verlaufe der Zeit durch das Laster der Korruption überkommenen Strukturen. Seit der im Jahr 1891 erfolgten Gründung der Liberalen Partei unter dem Slogan "Ordnung und Fortschritt" versank diese in zähen und blutigen Streitigkeiten, während sie es multinationalen Konzernen (Minen- und Bananenkompanien) gestattete, nach Gutdünken zu wirtschaften und die lokalen Eliten zu manipulieren. Aufgrund von gewaltsamen parteipolitischen Streitigkeiten innerhalb der Liberalen, deren Ausgangspunkt im 19. Jahrhundert lag, kam zwischen 1902 und 1922 die Nationale Partei auf. Dies ist die Entstehungsgeschichte zweier Parteien, die sich im Laufe des 20. Jahrhunderts auf eine korrupte Politik-Klientel und auf ihre Loyalitätsbekundungen gegenüber der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika gestützt haben.

Während der beiden Weltkriege standen die politischen Eliten treu zu Diensten der USA; zu Zeiten des "Kalten Krieges" kam es sogar zu Gebietsverpachtungen sowohl an die CIA und an die US-Armee (1983 wurde eine Militärbasis im Zentrum des Landes, in Comayagua errichtet) als auch an die nicaraguanische Konterrevolution, nach einem in den 1980er Jahren gefassten Beschluss. Die politischen Eliten standen jahrzehntelang unter dem Diktat Washingtons und – als Teil einer konterrevolutionären Strategie für die zentralamerikanische Landenge – wurde selbst die politische Verfassung von 1982 zum Verhandlungsgegenstand mit dem Außenministerium der USA.

Ab 1990, unter der Regierung von Rafael Leonardo Callejas, wurden neoliberale Wirtschaftsmaßnahmen weiter forciert, ein Umstand, von dem die gegen Ende der 1970er Jahre aufkommenden Finanzgruppen profitierten. Das wirtschaftliche Wachstum von wenigen Familien, die Honduras regierten, hatte die Verarmung von mehr als 70 Prozent der Bevölkerung zur Folge. Indem die gleichen politischen und wirtschaftlichen Eliten dafür sorgten, dass das multinationale Kapital die Ressourcen noch leichter ausbeuten konnte, trugen sie zudem zur Schwächung der ohnehin labilen Institutionen bei. Diese neoliberale Logik erfuhr ab den 1990er Jahren eine immer stärkere Ausprägung, bis sich die Regierung von Manuel Zelaya den herrschenden Gruppen samt ihrer Monopole widersetzte.

Dies führte zum Staatsstreich vom 28. Juni 2009, der von den Rechten, der Armee und der CIA ausgeführt wurde. Manuel Zelaya wurde ins Exil geschickt und man ging gewaltsam gegen den Widerstand der Bevölkerung vor. Die Nationale Front des Volkswiderstandes FNRP (Frente Nacional de Resistencia Popular) wandte sich entschieden gegen die Wahlen von November 2009 und verwies auf ihre Unrechtmäßigkeit. Die Wahlen waren ein Winkelzug der Putschisten und des US-Außenministeriums, um den zivil-militärischen Staatsstreich zu legitimieren und um einen Vorstoß hin zur internationalen Anerkennung der dem Putsch nachfolgenden De-facto-Regierung von Porfirio Lobo zu starten.

Im Jahr 2010 und in den ersten Monaten 2011 hatte die Regierung Lobo ernsthafte Probleme, sich an der Macht zu halten: Die Institutionen waren geschwächt, was ein in der Geschichte von Honduras beispielloses Anwachsen der Kriminalität und Straflosigkeit nach sich zog. Während der ersten beiden Jahre unter dem Lobo-Regime verloren mehr als 11.000 Menschen gewaltsam ihr Leben. Heute gilt Honduras als das Land mit der höchsten Kriminalitätsrate und vom sozialen Standpunkt aus gesehen zu den ärmsten Staaten Amerikas. Zudem prangerten sowohl honduranische als auch internationale Menschenrechtsorganisationen die Verletzung der Menschenrechte von Homosexuellen, Linksaktivisten, Gewerkschaftlern, Studierenden, Bauern und Frauenrechtlern an.

Die politische und soziale Krise verschärfte sich im Laufe des Jahres 2011 weiter und erreichte ein neues Stadium, so dass sich die USA gezwungen sahen, mit der brasilianischen Regierung und anderen südamerikanischen Ländern in Verhandlung zu treten. Der abgesetzte Präsident von Honduras, Manuel Zelaya, traf angesichts von Druck und Drohungen die Entscheidung, das "Versöhnungsabkommen von Cartagena de Indias", Kolumbien, ohne vorherige Konsultation der Generalversammlung der FNRP zu unterzeichnen; die Entscheidung wurde jedoch nachträglich von ihr legitimiert.

Der Tag der Rückkehr von Manuel Zelaya am 28. Mai 2011 wurde zu einem geschichtsträchtigen Ereignis, Tausende Menschen versammelten sich auf den Straßen in der Umgebung des Flughafens Toncontín von Tegucigalpa, während rechte Gruppen in den ihnen zugehörigen Medien die gewohnten Attacken gegen die Linken und Zelaya lancierten. Aber diesmal hatte Zelaya eine neue Strategie in petto, die mit den Vereinigten Staaten abgestimmt war und von den Regierungen der ALBA- und UNASUR-Staaten unterstützt wurde: die Organisation einer politischen Partei, um damit 2013 in den Wahlkampf zu ziehen.

Die politischen Widersprüche in Honduras haben sich weiter zugespitzt. Selbst von der äußersten Rechten wird Lobo oftmals aufgrund seiner getroffenen Maßnahmen angefeindet, die von der US-amerikanischen Botschaft in Tegucigalpa gebilligt wurden. Auch im Inneren der FNRP kommen seit 2010 Divergenzen zum Vorschein, als sowohl die liberalen Anhänger von Zelaya als auch die "opportunistischen" liberalen Strategien zur Diskreditierung von politischen und gewerkschaftlichen Führungspersönlichkeiten entwarfen, um sich auf den Wahlkampf vorzubereiten. Selbst innerhalb der Linken waren heftige Spannungen auszumachen. Die Linke ist heute in zwei Blöcke gespalten, die "refundacionales" und die "electoreros" (Die Erstgenannten setzen sich für eine radikale Neugründung des Landes durch die Selbsteinberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung ein, die Zweitgenannten plädieren für eine Veränderung durch Wahlen).

Als sich die Generalversammlung der FNRP im Juni 2011 für die Teilnahme an den Wahlen entschied, beschlossen einige soziale Bewegungen (wie COPINH und OFRANEH) und kleinere linke Parteien sich vom Projekt der neugegründeten Partei loszusagen. Das neue Parteiprojekt, das von Zelaya in Zusammenarbeit mit dem Gewerkschaftsführer Juan Barahona geleitet wird, wurde dem Parlament vorgelegt, um die Satzungen der Partei festzulegen bzw. um ihr einen Namen zu geben. Ursprünglich sollte der Name "Breite Front des Volkswiderstandes" lauten. Gegen diesen Namen protestierte Andrés Pavón, der Direktor eines nationalen Menschenrechtsbündnisses, der daraufhin beschloss, eine eigene Partei des Widerstands mit dem Namen FAPER (Breites Politisches Wahlbündnis im Widerstand) zu gründen.

Schließlich einigte man sich auf den Parteinamen LIBRE (Freiheit und Neugründung). LIBRE wurde im März 2012 legal ins Wahlverzeichnis von Honduras aufgenommen und setzt sich aus fünf internen Strömungen zusammen: der Bewegung 28. Juni, der zumeist aus Liberalen zusammengesetzten POR und MRP, der Bewegung des 5. Juli und der FRP (Macht des Volkswiderstands), die am weitesten links ausgerichtet und aus Gewerkschaftlern beziehungsweise aus anderen Bewegungen in der Bevölkerung zusammengesetzt ist.

Diese kurze Zusammenfassung über die Entstehung der Partei LIBRE versetzt uns gegenwärtig in ein hochkomplexes Szenario, in dem diese neue politische Kraft (deren Kern von alten Parteigängern und von neuen Mitstreitern gebildet wird) mit Xiomara Castro (der Ehefrau von Manuel Zelaya) versucht, mit der über hundert Jahren alten Tradition der Zweiparteienherrschaft (Liberale und Konservative) zu brechen. Dabei wird sie sich mit der traditionellen Maschinerie der politischen Klientel, die sowohl von den oligarchischen Eliten als auch vom multinationalen Kapital gestützt wird, auseinandersetzen müssen. Diese Teile der Rechten bereiten in den ihnen zugehörigen Medien eine Kampagne vor, durch die sie der Gesellschaft Angst einzuflößen versuchen. Die Strategie der Konservativen dürfte im Aufleben des "Gespenstes des Kommunismus" beziehungsweise des Kalten Krieges, in Angriffen auf das Paar Zelaya-Castro oder in der Diskreditierung der Volksbewegungen bestehen.

Die traditionellen Parteien befinden sich in einer Krise: Die Liberale Partei, der Zelaya den Rücken gekehrt hat, ist dem Scheitern nahe und die Nationale Partei, die zurzeit an der Macht ist, hat mit allgemeinen Verfallserscheinungen zu kämpfen. Aus diesem Grund unterstützen die mächtigen Gruppierungen das Aufkommen neuer rechten Parteien: die PAC (die Antikorruptionspartei von Salvador Nasrralla), die von einem extrem neoliberalen Sportberichterstatter geleitet wird und die Partei "Patriotische Allianz für Honduras", deren Anführer der Putschist Romeo Vázquez Velásquez (Armeechef während des Staatsstreichs von 2009) ist. Außerdem versuchen weitere kleinere Gruppen von Ex-Militärs eine neue Partei der extremen Rechten zu gründen.

Die schwierige Aufgabe der LIBRE wird es sein, sich dem korrupten und repressiven Staatsapparat sowie auch den von privaten Gruppen kontrollierten Medien entgegenzustellen. Für die Rechte erscheint LIBRE aber als echte Bedrohung, da sie schon im Geschichtsverlauf jedwede Reform als Gefahr für ihre Interessen wahrnehmen. Anders ausgedrückt werden alle zur Verbesserung der schwierigen Lebensbedingungen notwendige Reformen als "kommunistische Revolution" angesehen. Dennoch wäre es hypothetisch denkbar, dass das US-Außenministerium einen möglichen Wahlsieg von LIBRE samt Regierungsbildung dulden würde, allerdings ohne Kontrolle von Parlament und Justiz.

Das Ziel Washingtons besteht weiterhin in der Überwachung der honduranischen Bevölkerung, gerade auch in Hinblick auf sein Bedürfnis, eine geostrategische Vormachtstellung im Land einzunehmen. Deswegen erweist es sich als notwendig, das Volk "milde zu stimmen" und seinen Kampf in eine "durch Wahlen institutionalisierte" Bewegung und in Sozialbewegungen aufzuspalten, die sich mit der expansiven Logik des multinationalen Kapitals konfrontieren müssen, das mit noch größerer Entschlossenheit an die Ausbeutung der Ressourcen Honduras herangeht.

Jetzt müssen sowohl die FNRP als auch alle sozialen Bewegungen die Mobilisierung auf den Straßen wiederaufnehmen, um eine Opposition zu festigen und zusammenzuhalten, die in der Lage sein wird, sich der neoliberalen Logik entgegenzustellen. Darüber hinaus können sie ihre Hoffnungen auf ihren "politischen Arm", der LIBRE setzen, die sich im Kampf gegen konservative Strukturen zu bewähren hat.