Begleitet von Feiern und Mobilisierungen der sozialen Bewegungen hat Ecuadors Parlament am 14. Juni 2013 ein neues Mediengesetz verabschiedet. Nach mehr als vier Jahren zäher Debatten tritt mit dem “Ley Orgánica de Comunicación” nun ein Mediengesetz in Kraft, das die Vorgaben der Verfassung von 2008 umsetzt. Der Trend zur Demokratisierung der Medien, der in Lateinamerika insbesondere durch das argentinische “Gesetz für Audiovosuelle Medien” in Bewegung gesetzt wurde, kommt in dem neuen Gesetz zum Ausdruck. Verteidiger dieser Entwicklung – soziale Gruppen und Bewegungen – sehen darin nicht nur eine große Errungenschaft für Ecuador, sondern auch einen bedeutenden Präzedenzfall für den gesamten Kontinent.
Vor der Abstimmung über das Gesetz appellierte sein Verfechter Mauro Andino, Parlamentsabgeordneter der Regierungspartei Alianza PAIS, an den Geist, in dem das Gesetz erarbeitet wurde. Man müsse “die enorme Bedeutung der Meinungsfreiheit anerkennen, die in der internationalen Erklärung für Menschenrechte formuliert ist”, jedoch brauche es auch “eine Reihe an Angeboten und Diensten, damit jeder und jede Zugang zu dieser Freiheit hat und sie nicht weiterhin ein Privileg bleibt, das nur die Bessergestellten in unserer Gesellschaft genießen.”
Als eine der wichtigsten Neuerungen, die dieses Gesetz beinhaltet, bezeichnete Andino die Definition von “sozialer Kommunikation” als einer öffentlichen Dienstleistung, die mit Verantwortung und inhaltlicher Qualität ausgeführt werden müsse. Das Gesetz verbietet vorausgehende Zensur und betont gleichzeitig die Haftung der Medien für die veröffentlichten Inhalte. Zudem stärkt es die Rechte und Arbeitssicherheit der Journalisten.
Auch eine schrittweise Umverteilung der Radiofrequenzen ist vorgesehen: 33 Prozent der Frequenzen werden jeweils an private und staatliche Anbieter und 34 Prozent an kommunale Medien vergeben. Die Monopolbildung bei audiovisuellen Medien wird durch die Regelung unterbunden, indem natürliche oder juristische Personen nicht mehr als eine Zulassung für einen Hauptsender in AM, FM und im Fernsehen erhalten. In Übereinstimmung mit den Ergebnissen der Radiofrequenz-Prüfung vor drei Jahren werden die illegal erworbenen oder unrechtmäßig betriebenen Frequenzen zurück an den Staat übergeben und können neu vergeben werden.
Diese und weitere wichtige Bestimmungen greifen die zentralen Forderungen der gesellschaftlichen Sektoren auf, die sich für die Demokratisierung der Medien einsetzen. Dazu gehört auch die Förderung von kulturellen Produktionen durch die Verpflichtung, dass 60 Prozent des Programms in Sendezeiten mit breitem Publikum mit Produktionen aus dem Inland zu füllen sind, von denen wiederum zehn Prozent von unabhängigen Produzenten stammen müssen. Musiksendungen müssen künftig mindestens 50 Prozent Musik enthalten, die in Ecuador entweder produziert, komponiert oder aufgeführt wurde
Die Neuerungen
Unter den Neuerungen, die sich in der letzten Version des Gesetzes finden, ist die Verpflichtung für private Werbekunden, mindestens zehn Prozent ihres jährlichen Werbebudgets bei lokalen oder regionalen Medien auszugeben. Damit soll sichergestellt werden, dass auch Medien mit geringer Sendereichweite bzw. niedriger Auflagenstärke sowie Medien in ländlichen Gebieten einen Anteil an Werbeeinnahmen erhalten.
Im Hinblick auf die Arbeitsrechte schreibt das neue Gesetz vor, dass die Arbeitsplatzvergabe bei Medien nationaler Reichweite künftig “die Kriterien der Gleichheit und Gleichberechtigung von Männern und Frauen, der interkulturellen Repräsentativität, der Chancengleichheit für behinderte Menschen und der generationsübergreifenden Teilhabe” erfüllen müssen. Die Qualität der Inhalte soll dadurch garantiert werden, dass “alle Personen ihre Rechte auf Kommunikation wahrnehmen werden” und die kontinuierliche journalistische Arbeit nur von professionellen Journalisten ausgeführt wird. Ausgenommen davon sind Meinungsmacher, spezielle Kolumnen und journalistische Sendungen in den Sprachen der indigenen Völker. Zudem sind die Medien verpflichtet, ihren Angestellten angemessene wirtschaftliche, technische und materielle Ressourcen zur Verfügung zu stellen, die sie für die Ausübung ihrer Tätigkeit brauchen.
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Eine weitere Neuerung ist das Verbot von “medialer Lynchjustiz”, also der “Verbreitung von Information, die wiederholt und ausdrücklich dazu bestimmt ist, den Ruf einer natürlichen oder juristischen Person zu zerstören oder ihre öffentliche Glaubhaftigkeit zu diskreditieren.”
Ein im Gesetz nur am Rande erwähnter Aspekt, der aufgrund seines Potenzials, die Radiofrequenzen zu demokratisieren, eigentlich zentral sein sollte, sind die digitalen Frequenzen. Diese werden schon jetzt im Land eingesetzt, doch es gibt bisher noch keinen rechtlichen Rahmen für ihren Gebrauch. Das neue Mediengesetz stellt nur fest, es sei notwendig, die Frequenzen und Signale, die durch die Digitalisierung von Fernsehen und Radio zur Verfügung stehen, gerecht zu vergeben. Ebenso schreibt es vor, dass die “neuen Frequenzen und Signale für Fernsehen und Radio, die durch die Umstellung von analoger auf digitale Technologie entstehen, vom Staat verwaltet werden.” Es bleibt jedoch der Eindruck, dass dies eine rein “technische” Frage ist, mit der sich das Telekommunikationsgesetz befassen soll, das derzeit in Arbeit ist.
Ein besonders umstrittenes Thema ist der institutionelle Rahmen. Das neue Gesetz schafft als regulierendes Gremium einen “Ausschuss für die Regulierung und Entwicklung von Information und Kommunikation”. Dieser setzt sich zusammen aus Vertretern von Regierung, Nationalem Gleichstellungsrat, dem Rat für Bürgerbeteiligung und Soziale Kontrolle, Vertretern der Autonomen Dezentralen Regierungen und dem Bürgerbeauftragtem. Ebenso wird es einen “Superintendenten für Information und Kommunikation” mit Sanktionsbefugnissen geben, der nach einer Vorauswahl durch den Präsidenten vom Rat für Bürgerbeteiligung und Soziale Kontrolle ernannt wird, sowie einen “Beratenden Bürgerrat”, dessen Rolle noch nicht festgelegt ist und dessen medienpolitischen Entscheidungen nicht bindend sein werden.
Erst der Anfang
Der Verabschiedung des neuen Mediengesetzes stand nichts mehr im Wege, nachdem die Partei Alianza PAIS bei den Parlamentswahlen im Mai eine breite Mehrheit erreicht hatte. Gleichwohl ging dem ein komplizierter und mühsamer Prozess voraus. Vor drei Jahren wurden drei Gesetzesentwürfe vorgelegt – einer davon vom "Forum für Kommunikation" unter Beteiligung von sozialen und indigenen Netzwerken und Bewegungen. Zu dieser Zeit fanden die dort vorgestellten Hauptthesen für die Demokratisierung des Medienwesens jedoch weder im Parlament noch in der Regierung von Rafael Correa Unterstützung.
In den letzten 14 Monaten lag das Gesetz dann auf Eis, weil es im Parlament keine Mehrheit bekam. Obwohl die sozialen Organisationen im Unterschied zu Argentinien hier keine zivilgesellschaftliche Mobilisierung vorantrieben, erlangten die Inhalte des Gesetzes in der Bevölkerung immer mehr Unterstützung, bis zu dem Punkt, dass sich jetzt im Allgemeinen nicht einmal rechte Gruppierungen und Mainstream-Medien trauen, die Rechtmäßigkeit einer gerechten Verteilung der Radiofrequenzen öffentlich anzuzweifeln.
Die Verabschiedung des Mediengesetzes ist jedoch nicht der Höhepunkt der Entwicklung, sondern vielmehr erst der Anfang. Zum einen hat sich schon jetzt oppositioneller Widerstand auf nationaler und internationaler Ebene angekündigt, angeführt von großen Medienkonzernen, die von einem “Maulkorbgesetz” sprechen und juristische Schritte einleiten wollen. Zum anderen wird Demokratie nur in dem Maße existieren, in dem sie vom Volk selbst gestaltet wird, und insbesondere von den sozialen Bewegungen, wenn sie ihr Recht wahrnehmen, sich Gehör zu verschaffen.
Sally Burch ist Journalistin und Mitgarbeiterin der Alternativen Nachrichtenagentur für Lateinamerika (ALAI). Der Text erschien hier am 17. Juni 2013.