Lateinamerika / Medien

Die Niederlagen der Medienmonopole in Lateinamerika

Der brasilianische Kolumnist Altamiro Borges zu neuen Pressegesetzen und Medienkonzernen

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Der Kolumnist Altamiro Borges (li.) bei einem Blogger-Treffen in Brasilien
Der Kolumnist Altamiro Borges (li.) bei einem Blogger-Treffen in Brasilien

Die jüngsten Gesetzesänderungen in Argentinien, Ecuador und Uruguay folgen auf die Veränderungen in Venezuela – das erste Land der Region, das sich diesem strategischen Thema annahm – sowie in Bolivien und Nicaragua. Das aufsässige Lateinamerika ist heute nicht ohne Grund das größte Machthindernis für die Medienmonopole.

Auch im Jahr 2013 blieb Lateinamerika im Kampf für die Regulierung der Medien Vorreiter. Die Region kennt die Schäden, die durch eine konzentrierte und manipulierende Medienlandschaft entstanden sind, sehr gut. Die Staatsstreiche und Diktaturen, unter denen der Kontinent litt, wurden von den Medien unterstützt. Auch der Neoliberalismus, der die Region geschwächt hat, wurde durch die Branche gestärkt. Für die aus dem Kampf gegen den Neoliberalismus entstandenen progressiven Regierungen war die von brasilianischen linksgerichteten Bloggern so genannte "Partido Imprensa Golpistas" (PIG, in etwa: Partei der Presseputschisten) der größte Opponent. Da war es ganz selbstverständlich, dass die Regulierung zu einer demokratischen Forderung werden sollte.

"Ley de Medios" in Argentinien

Die größte Niederlage erlitten die Medienbarone im vergangenen Jahr in Argentinien. Im Oktober verkündete das Oberste Gericht des Landes schließlich die Verfassungsmäßigkeit von vier Paragrafen des Mediengesetzes ("Ley de Medios"), welche von dem Konzern und gleichzeitig größten Medienimperium Argentiniens, Clarín, angefochten worden waren. Diese historisch bedeutsame Entscheidung machte es möglich, dass die Regierung von Cristina Fernández de Kirchner mit der vollständigen Anwendung der neuen Gesetze fortfahren konnte. Die neuen Mediengesetze gelten als eine der weltweit am weitesten entwickelten Gesetzgebungen für die Dekonzentration und Demokratisierung der Massenmedien.

Kraft der jetzt gültigen Regelungen sollen die monopolistischen Konzerne innerhalb einer festgelegten Frist einen Teil ihres Unternehmens verkaufen – mit dem ausdrücklichen Ziel, "Medienkonzentration zu vermeiden". Die Clarín-Gruppe, größter Multimedia-Konzern des Landes, muss 150 bis 200 Radio- und Fernsehlizenzen abgeben, übertragen oder verkaufen. Dies gilt auch für Maschinen und Geräte und die Gebäude, in denen sich die Sender befinden. Der Kampf für die Verfassungsmäßigkeit der vier Paragrafen dauerte vier Jahre und brachte das Land in Bewegung. Clarín – während der Militärdiktatur vermögend geworden – kann jetzt nur noch Berufung einlegen.

Das im Nationalkongress mit großer Mehrheit verabschiedete und im Oktober 2009 von Christina Kirchner sanktionierte neue Gesetz ersetzt das Gesetzesdekret aus der Militärdiktatur. Seine Ausarbeitung fand in verschiedenen Bereichen der Gesellschaft statt – in der Wissenschaft, in den Gewerkschaften, in den sozialen Bewegungen und in der Unternehmerschaft. Nach der ersten Version kam es zu mehr als zweihundert parlamentarischen Änderungsanträgen. Die Diskussion des Gesetzes bewegte ganz Argentinien, tausende Menschen gingen auf die Straße, um seine Verabschiedung zu fordern. Beim letzten Protestmarsch waren es mehr als 50.000 Demonstranten.

Dennoch versuchten die Medienbarone das Gesetz zu sabotieren und setzten auf das Oberste Gericht. Dies erklärt, warum das Urteil von Oktober die Medienimperien der Region, vereint in der Interamerikanischen Pressegesellschaft (Sociedad Interamericana de Prensa – SIP), so erschütterte. Sie wendeten ein, dass das neue Gesetz autoritär sei. Aber selbst der UN-Sonderbeauftragte für Meinungsfreiheit, Frank La Rue, bestätigte, dass das argentinische Mediengesetz mit seinen 166 Paragrafen eines der weltweit am weitesten entwickelten sei und es darauf abziele, die Meinungsfreiheit zu schützen, nicht zu verwechseln mit dem Schutz der Freiheit der Medienmonopole.

Ecuador und Uruguay gehen mit gutem Beispiel voran

Nicht nur Argentinien hat sich in dieser strategischen und für die Region bedeutsamen Diskussion weiterentwickelt. Zwei andere Ländern kamen 2013 in dieser Hinsicht beträchtlich voran. Im Juni verabschiedete das Parlament Ecuadors das Projekt der Regierung von Rafael Correa. Es beinhaltet, eine Behörde zur Medienregulierung zu schaffen, die in der Lage ist, die Presseunternehmen wirtschaftlich und verwaltungspolitisch zu sanktionieren und außerdem die Kriterien für zukünftige Radio- und Fernsehlizenzen festlegen wird. Vier Jahre lang wurde das Projekt in der Nationalversammlung diskutiert. Es wurde mit großer Mehrheit (108 Pro-Stimmen, 26 Gegenstimmen) verabschiedet.

Neben der Schaffung der zu "Aufsicht, Prüfung, Intervention und Kontrolle" beauftragten Aufsichtsbehörde für Information und Kommunikation reserviert das Gesetz 33 Prozent der zukünftigen Radio- und TV-Frequenzen für die staatlichen Medien, 33  für die privaten Sender und 34 Prozent für die indigenen und kommunalen Gruppen. Es garantiert ebenfalls das Recht der Gegendarstellung und stellt sich damit gegen die sogenannte mediale Lynchjustiz. Sollte eine natürliche oder juristische Person durch die Medien "verleumdet und entwürdigt" werden, kann die Aufsichtsbehörde das verantwortliche Medium dazu verpflichten, eine oder mehr Entschuldigungen zu veröffentlichen.

Für den Abgeordneten und Berichterstatter des Projekts Mauro Andino stellt das neue, 119 Paragrafen umfassende Gesetz einen bedeutsamen Fortschritt für die Demokratie in Ecuador und die Sicherung einer wirklichen Meinungsfreiheit dar. "Als Bürger wollen wir die Meinungsfreiheit, die uns durch die Verfassung und internationale Instrumente garantiert ist, neben der Informationsfreiheit mit Verantwortung… Wir haben ein Gesetz vorgeschlagen, das von den Rechten aller Menschen ausgeht, nicht von den Rechten einer privilegierten Gruppe". Hier sei festgehalten, dass die Medienlandschaft Ecuadors von Bankiers kontrolliert wird!

Zum weiteren Ärgernis der Medienbarone Lateinamerikas verabschiedete die Abgeordnetenkammer Uruguays das Gesetz über die Dienstleistungen der audiovisuellen Kommunikation, welches von der Regierung unter José Pepe Mujica vorgeschlagen wurde. Mit seinen 183 Paragrafen betrachtet das neue Mediengesetz die Medien als Menschenrecht und legt fest, dass es "Pflicht des Staates ist, den allgemeinen Zugang zu diesen zu schaffen und damit für Informationsfreiheit, soziale Inklusion, Anti-Diskriminierung, Förderung der kulturellen Vielfalt, Erziehung und Unterhaltung zu sorgen".

Das Gesetz betont, die Medienmonopole arbeiteten "gegen die Demokratie aufgrund der Einschränkung von Pluralität und Vielfalt, welche die volle Ausübung des Rechts auf Information sichern". Um diese Verzerrung zu korrigieren, schlägt der Text die "volle Transparenz bei der Vergabe von Autorisierungen und Lizenzen" vor. Er legt ebenfalls die Schaffung eines Rates für audiovisuelle Kommunikation fest, mit der Absicht, "die Einhaltung der Richtlinien umzusetzen, zu überwachen und zu kontrollieren".

Das neue uruguayische Gesetz setzt Mindestquoten für die nationale audiovisuelle Produktion fest und verbietet den Telefongesellschaften die Nutzung von Radio- oder TV-Konzessionen. Es berücksichtigt auch den Kinder- und Jugendschutz, da es die Veröffentlichung von Bildern von "exzessiver Gewalt" regelt. Von sechs bis 22 Uhr ist Inhalt dieser Art verboten, mit Ausnahme von "Informationssendungen, bei eindeutigem öffentlichen Interesse" und nur mit vorherigem, ausdrücklichem Hinweis.

Die Reaktion der Medien-Mafia der Interamerikanischen Pressegesellschaft

Die jüngsten Gesetzesänderungen in Argentinien, Ecuador und Uruguay folgen den Veränderungen in Venezuela – das erste Land der Region, das sich diesem strategischen Thema annahm – sowie in Bolivien und Nicaragua. Das aufsässige Lateinamerika ist heute nicht ohne Grund das größte Machthindernis für die Medienmonopole. Im vergangenen Oktober, während der 69. Generalversammlung der Interamerikanischen Pressegesellschaft (SIP), gaben die mächtigen Unternehmer der Branche zu, den Ideenkampf in Lateinamerika zu verlieren und beschlossen die Verstärkung ihrer oppositionellen Haltung.

Der Präsident der SIP behauptete doch, "die lateinamerikanischen Regierungen" würden "Hass und Angst verbreiten". Das Ziel der in Miami ansässigen Institution, die bekannte Verbindungen mit der CIA hat und Staatsstreiche und Diktaturen stets unterstützte, ist die Vermeidung der uneingeschränkten Anwendung neuer Gesetze und die Ansteckung anderer Länder der Region. Brasilien wird von den Angehörigen der Medien-Mafia der Region als ein großes Problem angesehen. Wenn es von der Präsidentin Dilma Rousseff abhängt, können sie allerdings ruhig schlafen.