"Man weiß nicht, ob man zuerst von den Paramilitärs oder von der Flutwelle des Hidroituango getötet wird."
Ana María Cortés
Während viele der wichtigsten internationalen Medien sich mit der Fußballweltmeisterschaft oder aktuellen politischen Entwicklungen in Venezuela und Nicaragua beschäftigten, hat die erschreckende Zunahme von systematischen Morden an sozialen und politischen Aktivisten in Kolumbien kaum Beachtung gefunden. In den vergangenen acht Tagen sind 19 Morde bekannt geworden, allein in diesem Jahr sind bereits über 100 Morde verübt sowie unzählige Morddrohungen ausgesprochen worden. Manche der telefonischen Morddrohungen wurden aufgenommen und veröffentlicht. Sie folgen einem ähnlichen Muster, das im Wesentlichen die Aussage enthält, "Wenn du den Ort nicht verlässt, wirst du zum militärischen Ziel".
Heute wurde Ana María Cortés, ehemalige Koordinatorin der Wahlkampagne des Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro in Cáceres, Antioquia, tot aufgefunden. Dieser Vorfall steht in Verbindung mit einem Mordaufruf gegen Aktivisten der Oppositionskampagne nach dem Sieg von Iván Duque bei der Präsidentschaftswahl am 27. Mai. Weder der amtierende Präsident, noch sein Nachfolger haben eine Lösung präsentiert, um diese neue Gewaltdrohung zu stoppen. Viele verweisen auf die Komplizenschaft des Staates bei den Morden. So wirft beispielsweise der ehemalige Präsidentschaftskandidat Gustavo Petro dem Polizeichef von Cáceres vor, der geistige Täter hinter der Ermordung seiner Wahlkampfkoordinatorin zu sein, weil der Polizeichef sie Tage vor dem Mord mit dem Tode bedroht hatte. Aufgrund dieser Tatsachen ist es für viele politische Oppositionelle ein schwieriger Kampf, von den traditionellen juristischen oder politischen Institutionen Beistand zu erhalten.
Das derzeit populäre Hashtag in Kolumbien lautet #NosEstánMatando, was übersetzt soviel heißt, wie "Sie töten uns". In diesem Hashtag drückt sich das generelle Gefühl von acht Millionen kolumbianischen Bürgern aus, die für Gustavo Petro gestimmt haben und die eine Veränderung der kolumbianischen Politik wollen. Viele soziale Organisationen sind durch die aktuelle Zunahme der Gewalt aufgeschreckt und haben öffentliche Versammlungen zum Gedenken an die Opfer organisiert. Dies kommentiert die soziale Aktivistin Camila M. aus Bogotá: "Die tragische Stituation, die wir gerade durchleben, bereitet uns große Schmerzen, denn es gibt keinen Respekt für das Leben. Dennoch organisiert sich die Bürgerschaft, um von der jetzigen und der kommenden Regierung einzufordern, dass die Friedensvereinbarung umgesetzt, dass die Sicherheit der Verteidiger des Friedens gewährleistet wird und dass die Justiz die Ermittlungen zu den aktuellen Morden beschleunigt." Am 6. Juli folgten in 50 kolumbianischen Städten und 32 Städten weltweit Menschen dem Aufruf und hielten Kerzenlicht-Mahnwachen in den Stadtzentren ab. Damit zeigten sie ihre Trauer um die Getöteten und protestierten gegen die neueste Welle der Gewalt, die sich negativ auf den Fortschritt des Friedensprozesses auswirkt.
Zweck der systematischen Morde an sozialen Aktivisten ist es, die politische Opposition gegenüber dem neuen Präsidenten einzuschüchtern und zu unterdrücken – hinter dem mit Álvaro Uribe Vélez ein enger Verbündeter Washingtons steht. Gegen den derzeitigen Senator und ehemaligen Präsidenten Kolumbiens (2002-2010) sind derzeit 274 Justizverfahren anhängig. Einige der Verbrechen deren er beschuldigt wird, sind Verbrechen gegen die Menschheit. Das Gefühl des Leides und die Dringlichkeit der aktuellen Situation wird durch das Schweigen der großen Medien Kolumbiens, des Generalstaatsanwalts und des Verteidigungsministers noch verstärkt. Während die US-Öffentlichkeit mit Nachrichten über Demokratiedefizite und die Verfolgung der politischen Opposition in Venezuela und Nicaragua bombardiert wird, wird über die katastrophale Lage der demokratischen Rechte für die politischen Oppositionellen in Kolumbien kaum gesprochen. Dies deutet darauf hin, dass politischer Widerstand in manchen Ländern eher anerkannt wird als in anderen. Die kolumbianischen Verteidiger des Friedens wollen dass ihre Stimmen endlich gehört werden, um den drohenden politischen Genozid zu verhindern.
6. Juli 2018
Mario Murcia war als Kampagnenkoordinator für den Präsidentschaftskandidaten Gustavo Petro tätig