AP verstaatlicht Tankstellen in Venezuela

Wie sich eine Falschmeldung verbreitet

Und wieder gehe es in Venezuela gegen die Ölmultis, berichtet die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) am 28.08.2008. Passend für die Frühredaktionen geht an diesem Donnerstag um kurz vor zwei Uhr morgens folgendes über den News-Ticker:

Das venezolanische Parlament hat in erster Lesung ein Gesetz gebilligt, wonach alle Tankstellen unter staatliche Kontrolle gebracht werden sollen.

Doch die Meldung ist schlichtweg falsch: Das Parlament hat in erster Lesung ein Gesetz gebilligt, wonach der Benzin-Vertrieb, also der Treibstoff-Transport, unter staatliche Kontrolle gestellt werden soll. Von den Tankstellen war dabei nie die Rede gewesen.

Trotzdem hatten die großen privaten venezolanischen Tageszeitungen El Nacional und El Universal im Vorfeld der Entscheidung getitelt: "Regierung enteignet Tankstellen". Als wenn AP noch nie von dem Medien-Krieg in Venezuela gehört hätte, wurde die Darstellung der oppositionellen Privatmedien einfach übernommen – wie schon oft zuvor.

Doch die Zeitung El Universal hatte das Regierungsdementi zu der Falschmeldung bereits am Dienstag (!) auf ihrem Internetportal veröffentlicht. Grundlage war eine Mitteilung der staatlichen Nachrichtenagentur Agencia Bolivariana de Noticias (ABN), ebenfalls bereits von Dienstag. Das war AP wohl entgangen.

Aber es kommt noch besser: Nachdem das Staatsfernsehen in Venezuela am Mittwoch Präsident Chávez' Dementi zu der Falschdarstellung der Privatmedien übertrug, in dem er das Vorgehen als "verzweifelte Kampagne" der Privatmedien bezeichnete, seine Regierung zu diskreditieren und das Land zu destabilisieren, meint die AP in ihrer Meldung schreiben zu müssen:

Präsident Hugo Chávez kündigte am Mittwoch an, dass damit die Tankstellen internationaler Konzerne bald aus dem Straßenbild verschwinden würden.

Ohne weitere Quellenangabe, da es diese wohl auch nicht gibt. Erfindet AP jetzt schon Chávez-Statements? Wie verzweifelt muss denn erst die Agentur AP sein? Nach Angaben des venezolanischen Informationsministerium (MinCI) sagte Chávez etwas ganz anderes: "Der Treibstoff wird dann direkt von PDVSA zu den Tankstellen gebracht", zukünftig werde der Staatskonzern PDVSA direkt mit den Tankstellen zusammen arbeiten, so Chávez. Klingt das nach Verstaatlichung?

Am frühen Morgen des Donnerstags (28.08.08) dauerte es dann nicht lange bis man die Meldung der "renommierten" Nachrichtenagentur auf diversen Internetseiten zu sehen bekam. Dazu hat dann wohl auch die österreichische Agentur APA beigetragen, die die Meldung auch weiterverbreitet hat, wie die Quellenangabe einer Meldung der österreichischen Zeitung Standard bestätigt. Vermutung: Wie so oft übernimmt eine Agentur ohne genauere Überprüfung einfach die Meldung einer anderen – und eine Zeitung beziehungsweise ihr Onlineportal erst recht. Auch Die Presse, Standard, ORF und das Schweizer Radio DRS übernahmen die Meldung ungeprüft – wohlgemerkt nicht bestätigt durch andere Agenturen wie AFP oder DPA. Mit dabei sind auch nachrichten.at sowie news.search.ch und leider bestimmt noch viele mehr.

Vielleicht merken die Redaktionen ja durch einen Fall wie diesen, dass es gefährlich für die Glaubwürdigkeit sein kann, AP ungeprüft nachzudrucken.

Die Meldungen auf den oben erwähnten Internetportalen waren auch Stunden nach einem Hinweis von amerika21.de noch abrufbar. Allein auf den Seiten der österreichischen Zeitung Die Presse war die Meldung schon nach kurzer Zeit nach dem Hinweis nicht mehr zugänglich. Wenn sie der Umgang der oben genannten Medien mit Falschmeldungen interessiert, so klicken sie doch oben mal auf die genannten Namen...