Venezuela / Politik

Alles nur Chávez hier?

Politisch verbrämte Berichterstattung über die Gründung der "Bank des Südens"

Geht es um Kritik aus Lateinamerika an Industriestaaten, geht es um Venezuela. Aber stimmt das? Als diese Woche in Rio de Janeiro die Gründung einer "Bank des Südens", eines regionalen Kreditinstitutes für entwicklungspolitische Vorhaben, beschlossen wurde, war in einigen deutschen Zeitung fast nur von Venezuelas Präsident Hugo Chávez zu lesen. Dieser habe die Bank "vorangetrieben", schrieb etwa die freie Autorin Sandra Weiss in der Springer-Zeitung Die Welt unter dem Titel: "Hugo Chávez' Angriff auf die Weltbank". Dem Tenor folgten auch andere Blätter.

Tatsache aber ist, dass die Idee für eine "Bank des Südens" im Februar von Chávez und seinem argentinischen Amtskollegen Néstor Kirchner ins Gespräch gebracht wurde. Zudem sind inzwischen sieben Staaten der Region an dem Kreditinstitut beteiligt. Das Interesse, sich von IWF und Weltbank loszulösen, reicht also weit über Venezuela hinaus. Doch das scheint irgendwie nicht ins Bild zu passen.

Den ersten Preis in politisch verbrämter Berichterstattung lieferte aber der New-York-Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung, Nikolaus Piper. Schon in der Unterzeile seines Artikels über die "Bank des Südens" unterstellt der Autor Chávez, sich "Einfluss erkaufen" zu wollen. Nachdem Piper eingestehen muss, dass sechs weitere Staatschefs die Gründungsurkunde unterzeichnen werden, ohne dass ihnen Chávez die Pistole auf die Brust setzt, bekommt er gerade noch den Schwenk: "Die Bank des Südens", schreibt er, würde eben nichts als "ein Club populistischer Regierungschefs" sein. In vorderster Reihe sieht Piper - Chávez:

"Der ehemalige Putschist, der im eigenen Lande gerade die Pressefreiheit einschränkt und sich autoritäre Vollmachten sichert, nutzt Venezuelas Ölreichtum, um seinen Führungsanspruch in der Region zu untermauern." (Nikolaus Piper)

Nach vier solcher Absätze hat sich NY-Piper in Fahrt geschrieben. Eigentlich, so schreibt er nun implizit, gebe es überhaupt keine souveräne Politik mehr in Südamerika, sondern nur noch Chávez. Denn auch die Umkehr der Privatisierungspolitik in Bolivien sei eigentlich nicht die Entscheidung der dortigen Regierung gewesen. Auch diese Politik sei dem "Chávez-Kurs" gefolgt.

Und dann kommt der Diktator ins Spiel. Nachdem Piper meint, Chávez als den Mann hinter allem Bösen und Schlechten entlarvt zu haben, heißt es:

"Schon Argentiniens Diktator Perón verspielte nach dem Zweiten Weltkrieg die ökonomische Zukunft seines Landes, in dem er nach Autarkie strebte und sich das Wohlwollen der Massen erkaufte." (Nikolaus Piper)

Folgen in der Süddeutschen Zeitung nun Fakten, die eine Vergleichbarkeit der beiden Fälle belegen? Fehlanzeige! Statt dessen zieht Piper mit weiteren Behauptungen eine direkte Linie von Perón zu Chávez. Das ist also ungefähr so, als ob wir hier schrieben:

"Schon der Propagandist Julius Streicher verspielte im Zweiten Weltkrieg die Glaubwürdigkeit der deutschen Presse, in dem er Propaganda betrieb und die Massen zu verdummen half. (...) Menschen vom Schlage Streichers haben den deutschen Journalismus um Jahre zurückgeworfen. Und wenn man heute Pipers Texte liest, dann kostet das den Verlust wertvoller Lebensminuten."

Im besten Fall.