Dossier

Colonia Dignidad

Außerdeutsche Sektensiedlung in Chile

Die "Kolonie der Würde" wurde 1961 von dem Deutschen Paul Schäfer etwa 400km südlich von Santiago de Chile gegründet. Schäfer, ein ehemaliger Wehrmachtsgefreiter, war kurz zuvor aus Deutschland geflüchtet. Er wollte Ermittlungen wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs entgehen. In Chile verfügte er schon bald über ein etwa 30.000 Hektar umfassendes Gelände, auf dem er sich mit einer Gruppe Deutscher eine relativ autarke Siedlung aufbaute.

Während der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet, diente die Kolonie als Operationsbasis des Geheimdienstes "Dirección Nacional de Inteligencia" (DINA). Jahrzehntelang kam es dort zu schwersten Menschenrechtsverletzungen, systematischer Folter und der Ermordung von Regimegegenern durch Geheimdienst und Koloniemitglieder. Letzte wurden nach der Rückkehr zur Demokratie auch wegen Missbrauch und sexuellen Misshandlungen deutscher und chilenischer Kinder angeklagt.

Nach der Diktatur scheiterten zunächst alle Versuche die Enklave unter Kontrolle zu bringen, bis 2005 Schäfer in Argentinien gefasst werden konnte. Er verstarb 2010 in Haft. Seitdem nennt sich die Kolonie "Villa Baviera". Die Aufklärung und Ahndung der Verbrechen erfolgen sowohl in Chile als auch in Deutschland, wo inzwischen einige führende Koloniemitglieder Zuflucht gesucht haben, sehr zögerlich. Das liegt und lag bisher vor allem an den guten Kontakten der Anführer der Kolonie in hohe Militär-, Polizei- und Politikkreise.

Im Januar 2011 wurden in Chile erstmals führende Mitglieder der Kolonie wegen Beihilfe zu Verschleppung und Mord während der Militärdiktatur verurteilt. Kontrovers diskutiert werden die massiven Geldmittel, die die deutsche Bundesregierung der Siedlung in den letzten Jahren zur Verfügung gestellt hat, um ihre wirtschaftlichen Aktivitäten zu unterstützen; sowie der Verbleib ehemaliger Koloniemitglieder, die sich nach Deutschland geflüchtet haben, um chilenischen Prozessen zu entgehen.