Venezuela / Wirtschaft

Venezuela lockert Dollarbindung

Währungsreform soll hohe Inflation stoppen. Teilweise Liberalisierung des Devisenmarkt für Privatsektor geplant

Exakt 11,3 Prozent Inflation in den ersten vier Monaten des Jahres 2010 machen der venezolanischen Volkswirtschaft zu schaffen. Das nationale Statistikinstitut (INE), das die offiziellen Zahlen am Freitag veröffentlichte, ist aber trotz einer neuen Rekordinflation von 5,2 Prozent im Monat April für die zweite Jahreshälfte zuversichtlich. Eine entschiedene Rolle im Kampf gegen die Inflation soll ein neues Wechselkursband spielen, mit dem die venezolanische Zentralbank (BCV) den illegalen Devisenmarkt nun zu kontrollieren versucht. Mit einem Wechselkursband wird eine von der Zentralbank festgelegte Ober- und Untergrenze definiert, zwischen denen Fremdwährungen gehandelt werden können.

Innerhalb eines solchen, von der venezolanischen Zentralbank festgelegten Wechselbandes soll in Zukunft der Wert des Bolivars gegenüber ausländischen Devisen wieder frei handelbar sein. Die Pläne der obersten Währungshüter des Landes wurden im Laufe der letzten Woche bekannt und sollen in Kürze umgesetzt werden. Nach Aussage des Wall Street Journals vom 3. Juni wurden bereits venezolanische Privatbanken mit der Ausgabe von Dollarstaatsanleihen im Wert von 5,5 Milliarden US-Dollar beauftragt.

Wie hoch die Ober- und Untergrenze des Preisbandes sein soll, ist noch nicht bekannt. Wie die venezolanische Tageszeitung El Nacional berichtete, sollen zunächst nur Unternehmen bzw. juristische Personen Zugang zum teilliberalisierten Devisenmarkt bekommen. Der bisherige feste Wechselkurs von 2,6 Bolívares für Grundgüter wie u.a. Lebensmittel und Medizintechnik soll zunächst erhalten bleiben. Privatpersonen werden weiterhin bis zu einem jährlichen Höchstbetrag von 2500 US-Dollar Devisen für Auslandsreisen und Konsumgüter zum Kurs von 4,3 Bolívares je Dollar tauschen können.

Bereits vor zwei Wochen hatte das venezolanische Parlament ein neues Gesetz verabschiedet, das den Kampf gegen den illegalen Devisenhandel erleichtern solle. Seit Beginn der Devisenkontrolle nach einem Generalstreik der Opposition Anfang 2003 hatte die venezolanische Regierung gegenüber dem illegalen Handel einen Tolerierungskurs gefahren. Daraufhin bildete sich eine halbformelle Infrastruktur mit Wechselstuben, Banken und stündlich aktualisierten Kursen in Twittertickern und Blogs. Vor der Abwertung der Landeswährung im Januar 2010 von 2,15 auf 4,3 Bolívares je Dollar lag der Schwarzmarktkurs bereits bei sechs "Bolívares Fuertes" (entspricht 100 alten Bolívares) je Dollar. Trotz der kostspieligen Ausgabe von vergünstigten Dollaranleihen durch die Staatsunternehmen PdVSA, Cantv sowie Dollarstaatsanleihen durch die BCV verlor der Bolívar auf den Schwarzmärkten weitere 30 Prozent seines Werts gegenüber dem Dollar.

Nach dem Gesetzesbeschluss gingen die digitalen Marktplätze dollarparalelo.blogspot.com und bonosdevenezuela.blogspot.com vom Netz. In Caracas gab es Razzien in Wechselstuben und mehrere Festnahmen. Seitdem ist der Schwarzmarkt eingefroren. Händler machen für die Kursentwicklung vor allem die Verweigerung von offiziellen Devisen durch die staatliche Institution CADIVI verantwortlich. Unternehmervertreter schätzen, dass vor dem staatlichen Eingriff mehr als die Hälfte der venezolanischen Devisengeschäfte über den Schwarzmarkt realisiert wurden. Während dessen beteuerten Regierungsvertreter, die Devisenkontrolle sei seit der Abwertung im Januar massiv gelockert wurden, mehr als 90 Prozent der Anträge seien bewilligt worden.

2009 importierte der private Sektor Venezuelas nach Angaben der BCV Waren und Dienstleistungen im Wert von 32 Milliarden US-Dollar. Auf der anderen Seite wurden von der Devisenkontrolle CADVI dafür nur 21 Milliarden US-Dollar in Fremdwährung bereitgestellt. Angebot und Nachfrage setzten die venezolanische Währung deshalb gegenüber dem Dollar an den Schwarzmärkten massiv unter Druck.

Ob sich mit flexiblen Ober- und Untergrenzen eines Wechselbandes unter Aufsicht der BCV der Kurs stabilisiert hängt in erster Linie auch davon ab in welchem Umfang der venezolanische Staat Petrodollars als Staatsanleihen innerhalb des Preisbandes zur Verfügung stellt. Von einer marktgerechten Abwertung des Bolívars könnte dann auch die Staatskasse profitieren. Die öffentlichen Dollareinnahmen aus dem Ölexport beliefen sich 2009 auf 54 Milliarden US-Dollar. Bisher musste der Staat diese bei der Zentralbank pro Dollar für 4,3 Bolívares Fuertes verkaufen. Ein marktgerechter Kurs dürfte um einiges höher ausfallen und damit auch die Einnahmen an einheimischen Devisen für den venezolanischen Staat erhöhen. Mit dem Wechselband wäre die Volkswirtschaft gleichzeitig vor den Nachtteilen freier Wechselkurse wie etwa die spekulativen Angriffe in Argentinien 2001 geschützt.

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