Venezuela setzt Aufarbeitung des Caracazo fort

Anklageerhebung gegen ehemaligen Polizeikommandanten. Prozesse gegen ehemalige Minister und Militärs stehen aus

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Die Guardia Nacional bei der Niederschlagung des Caracazo
Die Guardia Nacional bei der Niederschlagung des Caracazo

Caracas. Die Staatsanwaltschaft von Venezuela erhebt Anklage gegen den ehemaligen Kommandanten der Polizei von Groß-Caracas. José Rafael León Orsoni wird vorgeworfen, mitverantwortlich für die blutige Niederschlagung des "Caracazo" genannten Volksaufstandes im Februar 1989 zu sein. Der sich heute im Ruhestand befindliche General wird des Mordes und des Verstoßes gegen internationale Abkommen beschuldigt. León Orsoni war 1989 Kommandant der Policía Metropolitana (PM).

Die Staatsanwaltschaft setzt damit die Aufarbeitung eines der größten Verbrechen in der venezolanische Geschichte des 20. Jahrhunderts fort. Der Caracazo war am 27. Februar 1989 nach dem Amtsantritt des sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andrés Pérez ausgebrochen. Dieser hatte etwas mehr als eine Woche zuvor drastische Haushaltskürzungen durchgesetzt, die der Internationale Währungsfonds (IWF) als Bedingung für neue Kredite gestellt hatte. Zuvor hatte das Land ein Jahrzehnt des wirtschaftlichen Abschwungs durchlebt, was dazu geführt hatte, dass fast zwei Drittel der Venezolaner in Armut lebte. Die Regierung ließ den Aufstand von Militär, Nationalgarde und Polizeieinheiten niederschlagen. Verschiedenen Schätzungen zufolge starben dabei hunderte bis mehrere Tausend Menschen.

Der Prozess der Aufklärung des Caracazo lief über inzwischen zwei Jahrzehnte äußerst schleppend. Bis heute wurde kein Verantwortlicher für die Repression verurteilt. In den vergangenen Jahren ist allerdings Bewegung in die Ermittlungen gekommen. Im September 2009 beantragte Staatsanwaltschaft die Auslieferung des damaligen Präsidenten Carlos Andrés Pérez, der 1993 wegen Korruptionsvorwürfen des Amtes enthoben wurde und sich seitdem im Ausland aufhält. Im März dieses Jahres wurde dann der ehemalige Verteidigungsminister Ítalo del Valle Alliegro angeklagt, im Mai folgte der General a.D. und ehemalige Chef des strategischen Kommandos der Armee, Heinz Azpúrua. Im ersten Fall wies der oberste Gerichtshof jedoch die Anklage mit der Begründung der Verjährung zurück. Die Prozesse gegen die Angeklagten stehen noch aus.