Catatumbo fürchtet Eskalation

Geplante Kohleförderung provoziert humanitäre Krise in der kolumbianischen Region. Vertreter der Bewohner zu Gast in Deutschland

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Kohlemine in Kolumbien: Erst kommt das Militär, dann die Konzerne
Kohlemine in Kolumbien: Erst kommt das Militär, dann die Konzerne

Bogotá. Fast 800.000 Tonnen Steinkohle will das Kohleunternehmen Geofisin EU in der nordostkolumbianischen Region Catatumbo jährlich fördern. Diese Quote soll möglichst bald allein in einem Gebiet von 1500 Hektar erreicht werden. Weitere sieben multinationale Unternehmen planen die Förderung des Rohstoffs sogar in einem Gebiet von insgesamt 25.000 Hektar. "Diese Wirtschaftsprojekte haben schon enorme Teile der Streitkräfte mobilisiert, um die Zone zu sichern" erklärte Judith Maldonado, Leiterin der Juristenorganisation "Luis Carlos Pérez" (CALCP). Rund 11.000 Soldaten sind demnach bereits in dem Gebiet und bald kämen noch zwei Brigaden der Streitkräfte dazu, so Maldonado.

Der Einsatz der Streitkräfte richte sich nicht nur gegen die Guerillakräfte der Region. Viel intensiver gingen sie gegen die Zivilbevölkerung vor, die auf den von den Kohleunternehmen begehrten Ländereien leben, so Maldonado. Die Anwältin befindet sich zusammen mit drei weiteren Vertretern von Organisationen aus Catatumbo auf einer Rundreise in Deutschland. Die Menschenrechtler und Aktivisten wollen auf die möglicherweise bevorstehende Eskalation und Angriffe auf die lokale Bevölkerung aufmerksam machen.

Die nordöstliche Region Kolumbiens hat eine zehnjährige Vorgeschichte brutaler, paramilitärischer Gewalt. Zwischen 1999 und 2004 sind dort über 10.000 Kleinbauern ermordet worden, 600 sind verschwunden, über 100.000 vertrieben. Nach der angeblichen Entwaffnung des paramilitärischen Verbunds AUC zwischen 2004 und 2006 kehrten viele Vertriebene zurück. Doch das Militär und die neu formierten paramilitärischen Strukturen setzen die Gewalt gegen die Bevölkerung fort.

Seit 2005 sind erneut 68 Bauern ermordet und als mutmaßliche Guerilla-Kämpfer präsentiert worden. Außerdem litten die Landarbeiter des Gebiets in den letzten Jahren unter Bombardierungen, dem Niederbrennen ihrer Häuser, willkürlichen Verhaftungen und Besprühungen ihrer Anbauflächen mit Chemikalien durch die Streitkräfte.

Einschüchterungsaktionen führt auch die paramilitärische Gruppierung "Schwarzen Adler" durch. Im Visier dieser Milizen stehen vor allem Mitglieder des 2005 gegründeten Bauernverbands ASCAMCAT und der Menschenrechtsorganisationen, die sie begleiten. Judith Maldonado selbst bekam in diesem Jahr von den "Schwarzen Adlern" Morddrohungen und wurde von Paramilitärs auf offener Straße sttackiert.

Der Verband ASCAMCAT setzt sich gegen den geplanten Tagebau zur Kohleförderung im Catatumbo ein und fordert, dass der Staat die Region zur "bäuerlichen Schutzzone" erklärt. Laut einem Gesetz aus dem Jahr 1994 entstünde so ein begrenztes Territorium, dessen Ländereien nicht veräußert werden dürfen und die dann als kollektiver Besitz der Kleinbauern gelten. Parallel dazu wolle der Bauernverband mit der direkten Partizipation der Landarbeiter vom Catatumbo einen lokalen Plan zur Entwicklung der kleinbäuerlichen Ökonomie entwerfen. Das berichtete die Vertreterin von ASCAMCAT Gilma Rosa Téllez, die sich zurzeit ebenfalls in Deutschland aufhält.

Dass die Regierung des amtierenden Präsidenten Manuel Santos diese Initiative unterstützen wird, bezweifelt Maldonado. Sie erinnerte an das erklärte Vorhaben von Santos, aus Kolumbien ein bedeutenderes Bergbauland zu machen. Bis zum Jahr 2019 soll die Bergbauproduktion verdoppelt werden, teilte in August der Minister für Minen und Energie, Carlos Noriega, mit.

"Ihr in Deutschland und wir in Kolumbien sind hinsichtlich der Energie durch eine ökonomische Kette verbunden. Immerhin ist Kolumbien der zweitgrößte Kohlelieferant Deutschlands", sagte Maldonado. "Vielleicht lässt sich aber auch eine Verbindung der Solidarität aufbauen", sagte die Anwältin.