Venezuela gründet Ministerium für Strafvollzug

Reaktion auf Gefängnisunruhen und schlechte Haftbedingungen. Nationalgarde bringt Gefängnisse unter Kontrolle. Zahlreiche Tote

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Gefängnisinsassen sitzen auf dem Boden, daneben stehen Soldaten
Nationalgardisten bewachen entwaffnete Insassen einer der Haftanstalten

Caracas. Als Reaktion auf seit knapp einer Woche anhaltende Unruhen in zwei Gefängnissen des Landes hat die venezolanische Regierung

bekannt gegeben, ein eigenes Ministerium für den Strafvollzug zu gründen. Der Innenminister des südamerikanischen Landes, Tareck El Aissami, erklärte gegenüber Medien die Entscheidung, welche beim Treffen des Ministerrates am Dienstag getroffen worden sei. Das Ministerium entstehe als Ausgliederung der Nationaldirektion für Gefängnisse, welche bisher dem Innenministerium untergeordnet war. Die Aufgabe der neuen Institution sei es, die "Humanisierung des Strafvollzugs" zu beschleunigen und den Gefängnisinsassen menschenwürdige Bedingungen zu schaffen. Die Gründung beruhe auf einer Initiative des Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, welcher sich zur Zeit zu einer medizinischen Behandlung in Kuba befindet.

Anlass der Entscheidung sind seit dem vergangenen Wochenende anhaltende Gefängnisunruhen in den Haftanstalten El Rodeo I und El Rodeo II etwa 40 Kilometer östlich der Hauptstadt Caracas. Dort hatten bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Insassen am vergangenen Sonntag mindestens 23 Menschen das Leben gekostet. Am Freitag und Samstag hatten dann 3.500 Soldaten der Nationalgarde (Guardia Nacional) und 400 Angehörige einer Fallschirmspringereinheit eines der Gefängnisse wieder unter Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht. Im Gefängnis El Rodeo II hielten sich jedoch weiter bewaffnete Insassen verschanzt. Verhandlungen hatten bis Samstag Abend kein Ergebnis gebracht.

Offiziellen Angaben zufolge starben bei der Erstürmung der Haftanstalt zwei Mitglieder der Nationalgarde, 22 Personen wurden verletzt. Von den Aufständischen sei eine Person getötet worden. Oppositionelle Medien berichteten unter Berufung auf "nichtoffizielle Quellen" zunächst von 18 Toten auf Seiten der Häftlinge. Politiker der Opposition warfen der Regierung vor, die Zahlen zu beschönigen. Cilia Flores, Abgeordnete der Regierungspartei PSUV in der Nationalversammlung, warf hingegen der Opposition vor, die kritische Situation für politische Zwecke zu instrumentalisieren.

Nach Angaben des Innenministeriums wurde im Zuge der Auseinandersetzungen eine große Zahl Waffen beschlagnahmt, darunter Pistolen, Gewehre, Maschinenpistolen und Handgranaten. Auch 45 Kilogramm Kokain und zwölf Kilogramm Marihuana hätten sich in den Gefängnissen befunden.

Nichtregierungsorganisationen wie die Observatorium für Gefängnisse (OVN) kritisieren seit langem die Situation in den venezolanischen Gefängnissen. Vor allem die chronische Überfüllung der Haftanstalten ist Gegenstand der Kritik. Nach Angaben des Vorsitzenden des OVN, Humberto Prado, gegenüber IPS, befinden sich zur Zeit etwa 44.500 Häftlinge in 34 Gefängnissen, die ingesamt für lediglich 14.500 Insassen ausgelegt seien. Auch die Regierung musste kürzlich eingestehen, dass eine lange angekündigte Reform des Strafvollzugs, die zu einer "Humanisierung" des Systems führen soll, nur schleppend vorangeht.