Venezuela

Venezuela auf der Straße

Zehntausende Studenten demonstrieren für Verfassungsreform. Präsident Chávez wirbt um Zustimmung. Provokationen gewaltbereiter Kräfte

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Venezuela auf der Straße
Studenten pro Reform

Caracas. Einem Aufruf von bolivarianischen Studenten- und Universitäts-Gruppen sind am Mittwoch Vormittag (Ortszeit) in Caracas Zehntausende gefolgt. Die Demonstration für die Verfassungsreform zog durch die Straßen von Caracas vom zentralen Plaza Venezuela bis in das Regierungsviertel. Vertreter von Studenten- und Universitätsorganisationen übergaben an mehrere Institutionen ein Dokument zur Unterstützung der am zweiten Dezember der Bevölkerung zur Abstimmung gestellten Reform. Außerdem verurteilten sie darin die zunehmende Gewalt ausgehend von einigen Reformgegnern. In den vergangenen Wochen hatte die Opposition mehrfach im Regierungsviertel demonstriert, oft endeten die Aufmärsche mit gewalttätigen Ausschreitungen.

Am Mittwoch Mittag (Ortszeit) verliefen die meisten Aktionen der Oppositionellen friedlich, die in vielen Städten zu Protesten aufgerufen hatten. Die Teilnehmerzahlen waren allerdings geringer als in den letzten Wochen. Die venezolanische Presse führt dies auf die anstehenden Hochschulwahlen an der Universidad Central (UCV) in Caracas zurück, der größten Universität des Landes. Deren oppositionelle Studentenorganisationen beteiligten sich größtenteils nicht an dem Aufruf in dieser Woche. In Caracas bildeten einige tausend Studenten quer durch die Stadt eine Menschenkette entlang der Stadtautobahn. Die Kritiker verlangten erneut eine Verschiebung des Referendums. Sie wollten mit der Aktion über die geplanten Änderungen der Verfassung aufklären, über die ihrer Meinung nach das Volk nicht ausreichend informiert ist. Die Teilnehmer zeigten den Autofahrern Plakate mit Sprüchen zu Reformparagraphen. "Diktatur" steht unter der beabsichtigten Abschaffung der Wiederwahlbegrenzung des Präsidenten auf dem Plakat einer Demonstrantin.

In dem wohlhabenderen Viertel Cafetal demonstrierte währenddessen auch eine Gruppe Schüler gegen die Reform. In der Hauptstadt blieb es an diesem Mittwoch friedlich. Vereinzelte Ausschreitungen gab es bei Protesten unter Beteiligung gewaltbereiter Studenten in anderen Städten. Oft treten diese nicht für ein Nein zur Reform ein, sondern lehnen das demokratische Verfahren komplett ab. Die Regierung vermutet subversive Kreise hinter den Gewalttätigen. Wie schon im Vorfeld des Putschversuches 2002 versuchen Teile der oppositionellen Presse ein verzerrtes Bild der Proteste zu zeichnen und stilisieren sie zu Aufständen hoch. In Wahrheit sei die Lage zwar ein wenig angespannt, allerdings bei weitem nicht so sehr wie die Medien es glauben lassen wollen, berichtet amerika21.de-Korrespondent Dario Azzellini aus Caracas. Die Strategie der Opposition ist die eigenen, ziemlich abgewirtschafteten Parteienvertreter nicht in den Vordergrund zu stellen und die Studierenden vorzuschicken. So sind es nun "Studierende", die gegen die Verfassungsreform protestieren, so Azzellini.

Der venezolanische Innenminster Pedro Carreño rief die Protestierer auf, die demokratischen Regeln einzuhalten und friedlich zu demonstrieren. Unterstützung bekam er von verschiedenen gesellschaftlichen Kräften, unter anderem mittlerweile auch von der wegen Duldung gewaltbereiter Kräfte viel kritisierten Universitätsleitung der Universidad Central, auf deren Gelände in der vergangenen Woche eine Hetze auf Regierungsanhänger stattgefunden hatte. Der Teil der Opposition, der sich gegen die Reform wendet und statt für Boykott für ein Nein bei der anstehenden Abstimmung wirbt, beteuert ebenfalls seine Ablehnung der Gewalt seitens einiger Reformgegner. Präsident Hugo Chávez sieht die Aktionen von gewalttätigen Studenten als eine Taktik der extremen Rechten. Studenten würden als "Kaononenfutter" missbraucht.

Chávez persönlich bereiste in den letzten Tagen das Land um für das Reformprojekt zu werben. Im Rahmen der Kampagne für eine Zustimmung bei der Volksabstimmung über die Reform war auch er am Mittwoch auf der Straße, nacheinander nahm er gleich an mehreren Manifestationen teil. Zehntausende Rote bejubelten ihn in verschiedenen Städten. Regierungsnahe Studentenorganisationen weiten derweil ihre öffentlichen Aktionen zur Unterstützung der Reform aus. Weiterhin finden neben zahlreichen Veranstaltungen vermehrt dezentrale Demonstrationen statt, die Angesichts der großen Beteiligung von Studierenden das Bild der studentischen Massenbewegung gegen die Reform relativieren. Die Studenten sollen auch direkt von der Reform profitieren: An den Universitäten soll in Gremien laut Änderungsvorschlag die paritätische Vertretung aller Gruppen eingeführt werden, eine Forderung, die in Deutschland von Studentenorganisationen seit Jahren erhoben wird.


Quellen:

El Universal [1], El Universal [2], El Universal [3], El Universal [4], El National, Prensa Latina, Agencia Bolivariana de Noticias [1], Agencia Bolivariana de Noticias [2], Aporrea.org [1], Aporrea.org [2].