Entsetzen in Peru: Über 500 indigene Schüler von Lehrern vergewaltigt

Bislang herrscht weitestgehend Straflosigkeit. Scharfe Kritik an Ministern: Sie bezeichneten die Gewalttaten als "kulturelle Praktiken" indigener Gemeinden

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Awajún-Frauen fordern in Peru Gerechtigkeit für die Vergewaltigungsopfer und bezeichnen Aussagen der Minister als beleidigend
Awajún-Frauen fordern in Peru Gerechtigkeit für die Vergewaltigungsopfer und bezeichnen Aussagen der Minister als beleidigend

Lima. Die Regierung von Peru sieht sich mit schwerwiegenden Anschuldigungen konfrontiert, nachdem bekannt wurde, dass mehr als 500 indigene Schüler in der Region Condorcanqui von Lehrern vergewaltigt wurden. Diese Fälle, die sich über einen Zeitraum von 14 Jahren erstrecken, wurden von Ministern als "kulturelle Praktiken" verharmlost. Dies hat landesweit Empörung und Forderungen nach Rücktritten ausgelöst.

Die Gewalttaten ereigneten sich zwischen 2010 und 2024 in der abgelegenen Provinz Condorcanqui im Amazonasgebiet. Betroffen sind 524 Schüler der Awajún- und Wampis-Gemeinschaften. Leyda Rimarachín, Vizegouverneurin des Departamento Amazonas, führte aus, dass die Opfer Mädchen und Jungen im Alter zwischen sieben und 16 Jahre seien.

Trotz der Schwere der Vorwürfe wurden nur wenige der verantwortlichen Lehrer zur Rechenschaft gezogen. Berichte zeigen, dass lediglich 111 Lehrer entlassen und 72 freigesprochen wurden, während 195 Fälle wegen Verjährung nicht verfolgt wurden. Die Verharmlosung der Taten durch hochrangige Regierungsmitglieder hat die Situation zusätzlich verschärft.

Bildungsminister Morgan Quero und Frauenministerin Ángela Hernández sorgten mit ihren Äußerungen für Empörung, indem sie die Vergewaltigungen als "kulturelle Praktiken" bezeichneten. Quero argumentierte, dass diese Gewaltakte in der Region eine Methode zur "Familienbildung" darstellen könnten. Hernández unterstützte diese Aussage und empfahl den betroffenen Mädchen, sexuelle Aktivitäten zu verschieben oder zumindest Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Die Asociación Interétnica de Desarrollo de la Selva Peruana (Aidesep), eine führende indigene Organisation, äußerte scharfe Kritik an den Aussagen der Minister. In einer Stellungnahme forderte Aidesep ihre sofortige Entlassung. Die Organisation betonte die Notwendigkeit, die Rechte und das Leben indigener Frauen und Kinder zu schützen und verurteilte die Verharmlosung der Vergewaltigungen als Ausdruck von strukturellem Rassismus und Diskriminierung. Von den staatlichen Stellen fordert sie "die Anwendung drastischer administrativer, strafrechtlicher und zivilrechtlicher Sanktionen gegen den Missbrauch, die Belästigung und die Vergewaltigung von Schülern durch Lehrer, sowohl im Volk der Awajún als auch in allen indigenen Gebieten". Die Gemeinschaften der Awajún und Wampis hätten bereits seit mehr als einem Jahrzehnt Fälle von sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche angeprangert, ohne dass die Justiz die Verantwortlichen verurteilt habe.

Die Präsidentin des Rates der Awajún-Frauen, Rosemary Pioc Tenazoa, spielte eine zentrale Rolle bei der Aufdeckung der Missbrauchsfälle. Pioc Tenazoa berichtete von zahlreichen Drohungen, denen sie nach ihren Enthüllungen ausgesetzt war, und hob die Dringlichkeit umfassender Untersuchungen und Maßnahmen hervor. Sie forderte zudem regelmäßige Gesundheitsuntersuchungen in Condorcanqui, da mehrere missbrauchende Lehrer HIV-positiv seien und Schüler infiziert haben könnten. Laut Pioc Tenazoa wurden bereits 60 Fälle von HIV-Infektionen unter Jugendlichen dokumentiert.

Der Präsident des Ministerrats, Alberto Adrianzén, versprach indes umfassende Ermittlungen und betonte, den Opfern müsse ganzheitliche gesundheitliche Unterstützung zukommen, insbesondere im Hinblick auf psychologische Betreuung und HIV-Tests. Er erklärte, dass die Regierung eng mit den betroffenen Gemeinschaften zusammenarbeiten werde, um sicherzustellen, dass die Täter zur Rechenschaft gezogen werden und die Opfer Gerechtigkeit erfahren.

Die Ereignisse in Condorcanqui werfen ein Schlaglicht auf tief verwurzelte Probleme in der peruanischen Gesellschaft, einschließlich der Vernachlässigung und Marginalisierung indigener Gemeinschaften. Die Tatsache, dass viele Fälle trotz vorliegender Beweise nicht strafrechtlich verfolgt wurden, zeigt die Ineffizienz und Korruption innerhalb der Justiz. Hinzu kommt, dass viele Opfer aufgrund von außergerichtlichen Vereinbarungen zwischen den Familien und den Tätern nicht zur Anzeige kamen, was die Straflosigkeit weiter begünstigte.

Aidesep und andere indigene Organisationen fordern nicht nur die strafrechtliche Verfolgung der Täter, sondern auch umfassende Reformen zur Verbesserung der Schutzmechanismen für indigene Kinder und Frauen. Sie verlangen, dass staatliche Institutionen und Bildungseinrichtungen eng mit den Gemeinschaften zusammenarbeiten. So soll sichergestellt werden, dass solche Verbrechen in Zukunft verhindert werden. Zudem drängen sie auf die Einrichtung spezieller Kommissionen, die sich mit den Fällen sexualisierter Gewalt befassen und dafür Sorgen, dass die Täter angemessen bestraft werden.

Der Skandal hat auch politische Implikationen. Viele Aktivisten und Bürger fordern die Rücktritte der beiden Minister. Die öffentliche Empörung wird durch die anhaltende Untätigkeit der Regierung noch verstärkt. Es bleibt abzuwarten, wie die politische Führung auf diese Krise reagieren wird.