Venezuela: Belegschaft von "Diana" trotzt Minister

Minister diktiert neue Leitung an Gremien der Arbeiterkontrolle vorbei. Erfolgreicher nationalisierter Betrieb für Nahrungsmittelproduktion

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Der neu eingesetzte Leiter versuchte, sich mit Hilfe der Nationalgarde Zutritt zu verschaffen
Der neu eingesetzte Leiter versuchte, sich mit Hilfe der Nationalgarde Zutritt zu verschaffen

Valencia/Caracas. Die Arbeiter und Arbeiterinnen des venezolanischen Nahrungsmittelkonzerns Industrias Diana protestieren gegen die Entscheidung des venezolanischen Ernährungsministers Felix Osorio

, den Unternehmer David Mendoza als neuen Leiter des Betriebs einzusetzen. Die Proteste begannen, als Mendoza sich mit seinem Stab Zugang zu den Produktionsanlagen verschaffen wollte und halten nun bereits zwei Wochen lang an.

Industrias Diana stellt hauptsächlich Speiseöl und verwandte Lebensmittel wie Margarine, Mayonnaise, Soßen und Suppen her. Seine Produktion deckt allein 35 Prozent des Margarinebedarfs auf dem venezolanischen Markt ab. Das Unternehmen unterhält neben seinem Hauptstandort in Valencia im Bundesstaat Carabobo noch fünf weitere Produktionsanlagen. Es beschäftigt über 2.000 Vollzeitarbeitskräfte und konnte seit der Nationalisierung und Übernahme durch die Belegschaft 2008 seine Produktion um 160 Prozent steigern. 20 Prozent der Produkte gehen auf den privaten Markt, der Rest in die staatlichen Lebensmittelketten.

Diana ist ein Unternehmen mit jahrzehntelanger Geschichte und wurde im Jahr 2008 von der Bolivarischen Regierung übernommen. Seitdem wurde der Betrieb unter Kontrolle eines Rats der Arbeiter und Arbeiterinnen geführt. Die Belegschaft unterhält ein eigenes Radioprogramm und eine Arbeiteruniversität. Der Betrieb gilt als gelungenes Beispiel für eine von der Belegschaft übernommene Leitung. Nicht nur der wirtschaftliche Erfolg, auch die Mechanismen der sozialen Verantwortung und die Fortbildungsmaßnahmen für die Belegschaft werden landesweit und international beachtet. Eine Vorreiterrolle übernahm Diana außerdem durch die erfolgreiche Umstellung der Verwaltung auf freie Software.

Der Rat der Arbeiter und Arbeiterinnen des Betriebs begründet den Protest gegen die Einsetzung einer neuen Leitung damit, dass er nicht zuvor konsultiert wurde. Bei einem Treffen mit der Belegschaft räumte Mendoza ein, dass er mehrere Restaurants und kleinere Unternehmen besitze, von denen einige bankrott gegangen seien. Sprecher der Belegschaft zweifeln zudem an, dass ein Privatunternehmer etwas davon verstünde, wie ein Betrieb unter Arbeiterkontrolle zu führen sei und "kollektive Entscheidungsmacht zu respektieren" wüsste. Vielmehr wird ihm vorgehalten, in seiner Vergangenheit Arbeiter entlassen zu haben, die sich gewerkschaftlich organisieren wollten.

Berichten nach hat sich der Konflikt noch verschärft, nachdem Mendoza bei einem zweiten Versuch, sich auf das Betriebsgelände zu begeben und seine Arbeit aufzunehmen, in Begleitung von bewaffneter Nationalgarde erschien. Die Betriebsanlagen werden seit ihrer Nationalisierung routinemäßig von Soldaten geschützt. Arbeiter merken an, dass sie diese als "Genossen vom Militär" ansehen, kritisieren diesen Einsatz aber als "Militarisierung" und einen Missbrauch der Soldaten.

Ein Arbeiter von Industrias Diana, Oglis Garcia, kündigte gegenüber der Presse an, dass man den Konflikt bis zur Nationalversammlung, dem venezolanischen Parlament, tragen werde. Man habe bereits den Parlamentspräsidenten Diosdado Cabello, ein Führungsmitglied der regierenden sozialistischen Partei Venezuelas (PSUV), zu einer Debatte über Betriebsführungsmodelle eingeladen.

In einer Erklärung machen die protestierenden Arbeiter und Arbeiterinnen deutlich, dass sie nicht beabsichtigen, in den Streik zu treten. Während des gesamten Protests halten sie die Produktion uneingeschränkt aufrecht. Die Bedeutung des Betriebes für die Nahrungsmittelsouveränität sei ihnen bewusst. Dem Ernährungsminister werfen sie vor, mit seiner eigenmächtigen Ernennung einer neuen Leitung die Rechte der Arbeiterkontrolle zu missachten und den Betriebsfrieden zu stören. Sie fordern Osorio auf, in Abstimmung mit dem Rat der Arbeiter und Arbeiterinnen von Diana die Führungsposition aus der "fachlich und politisch erfahrenen" Belegschaft zu bestimmen.

Der Konflikt erinnert an das Vermächtnis des im März dieses Jahres verstorbenen Präsidenten Hugo Chávez und stellt den Kurs seines Nachfolgers Nicolás Maduro auf den Prüfstand. Die im Protest stehenden Arbeiter berufen sich auf Chávez und bezeichnen Maduro, der in einem Armenviertel in Caracas aufgewachsen und als Gewerkschafter in die Politik gekommen ist, als ihren "Arbeiterpräsidenten". Chávez hatte noch im April 2012 geäußert, dass Industrias Diana in den Händen der Belegschaft ein Beispiel für Produktivität, Effizienz und Kostensenkung darstelle.