Menschenrechtsarchiv in El Salvador beschlagnahmt

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Soziale Organisationen protestieren gegen die Schließung des Menschenrechtsbüros Tutela Legal
Soziale Organisationen protestieren gegen die Schließung des Menschenrechtsbüros Tutela Legal

San Salvador. Die Generalstaatsanwaltschaft in El Salvador hat am 18. Oktober Teile des Archivs des kürzlich vom Erzbischof geschlossenen Menschenrechtsbüros Tutela Legal beschlagnahmt. Dies geschah unmittelbar nachdem bekannt wurde, dass das staatliche Kulturamt die Anerkennung des Archivs als nationales Kulturerbe in Gang gesetzt hat, um es zu schützen. Erzbischof José Luis Escobar Alas hatte am 30. September 2013, ohne Vorankündigung und unter widersprüchlichen Begründungen, die Mitarbeiter des Menschenrechtsbüros ausgesperrt und entlassen.

Das Menschenrechtsbüro der Erzdiözese San Salvador, Tutela Legal, war die Institution, die das historische Vermächtnis der Menschenrechtsopfer und ihrer Familien verwahrte. Seit 1982 waren dort mehr als 50.000 Zeugenaussagen über die Verbrechen während des Bürgerkrieges zwischen 1980 und 1992 gesammelt, dokumentiert und archiviert worden. Diese waren eine der Grundlagen des Berichtes der UN-Wahrheitskommission. Das Archiv wäre eine unersetzliche Quelle für Zeugenaussagen in Gerichtsverfahren gegen die Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen, die einer Aussetzung des Amnestiegesetzes folgen würden. Im September dieses Jahres hatte die Verfassungskammer des Obersten Gerichtshofes einen Antrag auf Überprüfung des Amnestiegesetzes zugelassen.

Da die Generalstaatsanwaltschaft mit Unterstützung des Amnestiegesetzes bislang jegliche Strafverfolgung von Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungen verhindert hat, befürchten lokale Menschenrechtsorganisationen, dass die Akten verloren gehen oder vernichtet werden könnten, um Beweise zu vernichten.

Die UN-Wahrheitskommission hatte in ihrem Bericht im März 1993 vor allem staatliche Sicherheitskräfte und das Militär für zahlreiche Menschenrechtsverletzungen gegenüber der Zivilbevölkerung verantwortlich gemacht. Amnesty International hatte die Verbindungen und Verflechtungen von staatlichen Sicherheitsorganen mit Todesschwadronen nachgewiesen, die in deren Auftrag Gewalttaten verübt hatten. Das Amnestiegesetz schützt Befehlshaber und Ausführende bis heute vor einer Strafverfolgung, die Befehlsstrukturen wurden niemals aufgedeckt und aufgelöst. Experten führen das hohe Gewaltniveau in El Salvador unter anderem auf diese Straflosigkeit zurück. Die Opfer und die Familien von Opfern kämpfen noch heute für die Aufklärung und fordern Wahrheit, Gerechtigkeit und Wiedergutmachung.