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"Kissinger-Professur" stiftet Unruhe an Uni Bonn

Studierendengremien kritisieren Stiftungsprofessur zu Ehren des ehemaligen US-Außenministers. Kritiker betonen Rolle bei Chile-Putsch 1973

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Kissinger (links) trifft vier Tage nach dem Putsch in Chile am 15. September 1973 den Diktator Pinochet
Kissinger (links) trifft vier Tage nach dem Putsch in Chile am 15. September 1973 den Diktator Pinochet

Bonn. An der Universität Bonn sorgt die geplante Einrichtung eines von der Bundesregierung finanzierten Lehrstuhls zu Ehren des ehemaligen US-Außenministers Henry Kissinger für zunehmende Kritik. Die Leitung der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität hatte Ende Mai bekanntgegeben, eine entsprechende Stiftungsprofessur "für Internationale Beziehungen und Völkerrecht" einzurichten. Dagegen hatten sich bereits lokale Initiativen, Nichtregierungsorganisationen sowie Wissenschaftler ausgesprochen. Nun haben auch studentische Vertretungen Namensgebung und Finanzierung des geplanten Lehrstuhls in deutlichen Worten beanstandet.

Die Entscheidung zur Einrichtung der Stiftungsprofessur sei "völlig unverständlich", heißt es in einer Erklärung des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der Uni Bonn. "Gegen Kissinger werden bis heute schwere Anschuldigungen erhoben, für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich zu sein", erklärt das Gremium. Bis zum heutigen Tag seien Gerichtsverfahren in mehreren Ländern anhängig, denen sich der Namensgeber nie gestellt habe. "Diese Verweigerungshaltung gegenüber den Versuchen gerichtlicher Aufklärung, unterstreichen die kontroverse Rolle Kissingers", sagte die AstA-Vorsitzende Alena Schmitz: "So lange die bestehenden Beschuldigungen nicht restlos ausgeräumt werden, ist die beabsichtigte akademische Ehrung nicht akzeptabel."

Auch das Studierendenparlament bezeichnet es in einem Mehrheitsbeschluss als "fraglich, ob Henry Kissinger aufgrund der von ihm verantworteten Politik als Vorbild für Wissenschaft und Lehre des Völkerrechts geeignet ist". Aufgrund des Finanzierungsmodells – eine Viertel Million Euro kommen vom Verteidigungsministerium, weitere 50.000 Euro von Auswärtigen Amt – zeigte sich das Studierendenparlament besorgt um die Freiheit von Wissenschaft und Lehre. Die Universität müsse "Maßnahmen (...) ergreifen, welche die Unabhängigkeit der Forschung und Lehre von Stiftungsprofessuren sicherstellt". Dazu gehöre ein transparentes Verfahren bei Berufung und Fragen der inhaltlichen Ausrichtung. Hinzu komme die notwendige Offenlegung der Verträge zwischen Stiftern und der Universität.

Die Professur war nach Angaben der Universität durch eine unilaterale Entscheidung der Bundesregierung ermöglicht worden. Sie sei von "Verteidigungsminister De Maizière und Außenminister Westerwelle (...) beschlossen" worden, heißt es in einer Pressemitteilung. Der Rektor der Universität Bonn, Jürgen Fohrmann, zeigte sich davon überzeugt, dass die "Henry-Kissinger-Professur" einen neuen Akzent auf dem Gebiet der internationalen Sicherheitspolitik setzt. Die Gegner des Vorhabens bezeichnen das als zynisch und makaber. Sie verweisen auf die Unterstützung Kissingers für die Militärputschisten in Chile 1973. Der US-britische Journalist Christopher Hitchens hatte Verbindungen Kissingers zu schweren Menschenrechtsverbrechen dokumentiert und 2001 in Buchform veröffentlicht, der britische Guardian veröffentlichte damals Vorabdrucke zum Chile-Teil.

Die Studierendenvertretungen der Uni Bonn führen ein Zitat Kissingers aus dem Jahr 1975 an. Damals sagte er in Ankara: "Das Illegale machen wir sofort, was gegen die Verfassung verstößt, dauert etwas länger."