ARD strahlte umstrittene Argentinien-Doku aus

Doku beschäftigte sich mit Verwicklungen von Mercedes in Diktatur-Verbrechen. Widerspruch von Dokumentarfilmerin Weber. Ließ WDR nachdrehen?

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Witwen mutmaßlicher Opfern von Mercedes bei Gedenkfeier für die Verschwundenen vor der Firmenzentrale von DaimlerChrysler
Witwen mutmaßlicher Opfern von Mercedes bei Gedenkfeier für die Verschwundenen vor der Firmenzentrale von DaimlerChrysler

Köln/Berlin. Trotz Kritik von Aktivisten und Journalisten hat die ARD am Montag dieser Woche eine dokumentarische Reportage zu den Verwicklungen von Mercedes Benz in die Verbrechen der Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983) ausgestrahlt. Im Vorfeld hatte die deutsche Dokumentarfilmerin und Fachbuchautorin Gaby Weber schwere Vorwürfe gegen den WDR als Auftraggeber des Streifens erhoben. Die Kölner Redaktion habe ihre ursprünglichen Recherchen nachdrehen lassen. Ein bestehender Film von Weber, der die Rolle von Mercedes Benz deutlich kritischer bewertet als die nachgedrehte Doku, war vom WDR Fernsehen abgelehnt worden.

Während der argentinischen Militärdiktatur waren 14 Gewerkschaftsfunktionäre des dortigen Mercedes-Benz-Werks verschleppt und wahrscheinlich ermordet worden. Die Verantwortung der Firmenleitung beschäftigt bis heute Menschenrechtsgruppen und Gerichte. Es geht dabei um die Frage, ob die Unternehmensleitung die Namen der verschwundenen Gewerkschafter an das Militär weitergegeben hat.

Recherchiert hatte das Thema die deutsche Journalistin Gaby Weber bereits 1999 für den WDR-Hörfunk. Anders als die Radio-Redaktion lehnten die Kollegen des WDR-Fernsehens die Dokumentation Webers jedoch wiederholt ab.

Dass die TV-Programmplaner des Westdeutschen Rundfunks das Thema nun an eine Produktionsfirma vergeben haben, die Webers aufwändige Recherchen nachgedreht hat, ist nach Ansicht von Beobachtern aus zwei Gründen ein Politikum. Zum einen hat der WDR das Thema nach jahrelanger Ablehnung der bekannten Arbeit Webers nachproduzieren lassen. Zum anderen stellt der neue Streifen die Frage der Schuld des Konzerns an den Gewerkschaftermorden weit weniger heraus, als dies im Original der Fall ist.

Der öffentliche Protest Webers und weiterer Experten gegen diese Dokumentation und die Politik des Senders hatte die Verantwortlichen erreicht. Auf Nachfrage verteidigte der WDR die Entscheidung, den Fall an den ursprünglichen Recherchen vorbei neu verfilmen zu lassen. Man habe die neue Dokumentation 2012 und in diesem Jahr vor dem Hintergrund aktueller Klagen in den USA erstellen lassen, hieß es aus Köln. Auch Holger Hillesheim von der Produktionsfirma tvschoenfilm, die den Auftrag für den neuen Streifen bekommen hat, wies die Kritik zurück. Weber hätte als "Expertin und Zeitzeugin eine bedeutende Rolle in unserer Dokumentation einnehmen" können, so Hillesheim. Dies habe sie jedoch abgelehnt. Zwar wehrt sich Hillesheim gegen den Vorwurf, das Thema nachgedreht zu haben. Doch neue Zeugen kann seine Produktion nicht aufweisen. Alle seine Interviewpartner hatte Weber ausfindig gemacht.

Die Journalistin ist daher überzeugt davon, dass hier "eine bestimmte Art des Journalismus abgestraft werden" soll. Sie hat sich in einer ausführlichen Kritik mit der WDR-Publikation auseinandergesetzt.


Ein ausführlicher Bericht des Autors wird in der kommenden Ausgabe der medienpolitischen Zeitschrift der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, "Menschen Machen Medien", erscheinen.