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Innenminister in Venezuela widerspricht Mordrekord

Nichtregierungsorganisation OVV präsentiert erneut spektakuläre Zahlen. Datenbasis unklar. Minister spricht von "politischer Motivation"

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Innenminister Rodríguez Torres: Zahlen von OVV politisch motiviert
Innenminister Rodríguez Torres: Zahlen von OVV politisch motiviert

Caracas. Wie schon zum Ende der vergangenen Jahre ist in Venezuela auch in diesen Tagen erneut eine Debatte über die Gewaltstatistiken entbrannt. Auslöser der Diskussion ist eine medial stark lancierte Statistik der Nichtregierungsorganisation Observatorio Venezolano de Violencia (Venezolanisches Gewaltobservatorium, OVV), nach der in Venezuela seit Beginn des Jahres 24.763 Menschen gewaltsam ihr Leben verloren haben. Dieser Darstellung trat nun Innen- und Justizminister Manuel Rodríguez Torres entgegen. Zugleich erhob der Politiker der in Venezuela regierenden Vereinten Sozialistischen Partei (PSUV) schwere Vorwürfe gegen die Organisation OVV.

Nach Angaben von Rodríguez Torres belief sich die Mordrate im zu Ende gehenden Jahr bislang auf 39 Fälle pro 100.000 Einwohner. Diese Zahl sei "nicht ideal", sagte der Minister. Die Zahl der Nichtregierungsorganisation aber sei übertrieben. Die Privatinitiative hatte von 79 Fällen pro 100.000 Einwohner gesprochen und damit gut die doppelte Mordrate angegeben. Mit ähnlich aufsehenerregenden Zahlen hatte es die Nichtregierungsorganisation schon in den vergangenen Jahren in die internationalen Schlagzeilen geschafft.

Der Innenminister warf OVV nun vor, sich bei der Erstellung der Statistiken von einer "politische Intention" leiten zu lassen. Tatsächlich sei die Zahl der Tötungsdelikte im Jahr 2013 um bislang 17,3 Prozent reduziert worden. Dies sei durch sicherheitspolitische Konzepte wie den Plan Patria Segura (Plan sicheres Vaterland) erreicht worden. Man müsse auch sehen, "wer OVV anführt, denn es handelt sich um einen politischen Akteur", sagte Rodríguez Torres mit Blick auf den Leiter der Nichtregierungsorganisation, Roberto Briceño León. Dieser war unter anderem an der Komission für Sicherheitsfragen des Oppositionsbündnisses Tisch der Demokratischen Einheit (MUD) beteiligt und arbeitete am Regierungsprogramm des MUD-Präsidentschaftskandidaten Henrique Capriles Radonski mit.

Die Organisation OVV erstellt ihre Statistiken eigenen Angaben zufolge nach den Prognoseverfahren von Holt-Winters und Brown. Dabei wirkten zudem Wissenschaftler von sieben Universitäten des Landes mit. Genauere Angaben zu dem Datenmaterial bietet die Organisation nicht. Stattdessen begründet sie ihre Arbeit mit einer angeblichen "staatlichen Zensur" über die Mordzahlen.

Die genaue Zahl der Opfer von Gewaltkriminalität ist in Venezuela seit Jahren ein Politikum. Die Nichtregierungsorganisation OVV veröffentlicht stets Ende Dezember Zahlen, die deutlich höher liegen als jene der Regierung. So seien 2012 insgesamt 21.692 Menschen ermordet worden und 2011 19.336. Die Erhebungsmethode der NGO ist jedoch fragwürdig, berichtete amerika21.de schon im vergangenen Jahr. Die Zahlen basieren auf angeblich zurückgehaltenen offiziellen Zahlen, die am Jahresende hochgerechnet werden. Von Regierungsseite wurde das OVV auch kritisiert, weil die Verantwortlichen angeblich Tote von Verkehrsunfällen und anderen Todesursachen mitrechneten.