Inflation in Venezuela wird erneut zum Politikum

Teuerungsrate 2013 liegt bei 56,2 Prozent. Opposition greift Regierung an, Präsident spricht von "Wirtschaftskrieg". Dabei sind die Probleme nicht neu

mercal-venezuela-300x225.jpg

Subventionierter Supermarkt der Mercal-Kette in Venezuela
Subventionierter Supermarkt der Mercal-Kette in Venezuela

Caracas. Das neue Jahr hat in Venezuela erneut mit einer Debatte über die hohe Inflation und die Währungspolitik begonnen. Ende Dezember hatte die Zentralbank bekanntgegeben, dass die Gesamtinflation im Jahr 2013 auf 56,2 Prozent angestiegen ist. Im Oktober hatte der Nationale Index der Konsumentenpreise (Índice Nacional de Precios al Consumidor, INCP) eine Teuerungsrate von 5,1 Prozent ausgewiesen, im November lag sie bei 4,8 Prozent und im Dezember bei 2,2 Prozent. Dieser in Lateinamerika höchsten Teuerungsrate steht ein Wirtschaftswachstum von lediglich 1,6 Prozent gegenüber. Während die Opposition das Dauerthema weiterhin für harsche Kritik an der sozialistischen Regierung nutzt, macht Präsident Nicolás Maduro einen "Wirtschaftskrieg" feindlich eingestellter Kräfte im Land und auf internationaler Ebene, "Geschäftemacherei und eine Spekulationsblase" für die schlechten Zahlen mitverantwortlich. Im Regierungslager löste die Entwicklung eine kontroverse Debatte um den festen Wechselkurs des venezolanischen Bolívars zum US-Dollar aus.

Nachdem in den Wochen und Monaten vor den landesweiten Kommunalwahlen am 8. Dezember große Bestände zurückgehaltener Waren entdeckt worden waren, hatte die Regierung Armee und Verbraucherschutzkomitees mobilisiert, um gegen "Preistreiberei" und "Wucher" vorzugehen. Geschäfteinhaber und Unternehmer verteidigten die hohen Preise wiederum mit der Inflation, die ihre Gewinne zunichte mache.

Für das begonnene Jahr 2014 hat Venezuelas Regierung indes eine weitreichende wirtschaftspolitische Initiative angekündigt, um die Inflation in den Griff zu bekommen. Dazu gehört auch die bisher nicht erreichte Ankurbelung der nationalen Produktion von Agrar- und Konsumgütern.

Die Opposition in Venezuela greift die aktuelle Regierung wegen des Wertverfalls der nationalen Währung fortwährend an. Auch Maßnahmen wie Preisfestsetzungen stehen in der Kritik. In der stark politisierten Debatte wird jedoch kaum beachtet, dass das Problem der einseitigen Erdölwirtschaft Venezuelas schon lange vor Beginn der "bolivarischen Regierung" bestand. Während sie unter der ersten demokratischen Regierung von Rómulo Betancourt Anfang der sechziger Jahre nur 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmachte, stieg sie bis zur ersten Präsidentschaft des Sozialdemokraten Carlos Andres Pérez zehn Jahre später bereits auf 9,86 Prozent an. 1974 hatte sie mit 11,8 Prozent zum ersten Mal eine zweistellige Zahl erreicht. Heute ist die Wirtschaft fast vollständig abhängig vom Erdölexport.

Der Trend zur Geldentwertung hält bereits seit Jahrzehnten an. Unter der Regierung von Luis Herrera Campins Ende der siebziger Jahre stieg die Inflation erstmals über 20 Prozent, um Mitte der achtziger Jahre unter Staatschef Jaime Lusinchi gar 34,1 Prozent zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt war der Kollaps der venezolanischen Wirtschaft schon nicht mehr aufzuhalten. Als die Politiker Andres Pérez und Rafael Caldera in den neunziger Jahren zum jeweils zweiten Mal eine Regierung in Venezuela führten, betrug die Inflation durchschnittlich 104,5 Prozent, beziehungsweise 194,3 Prozent. Diese Zahlen wurden bei der jüngsten Kritik offenbar vergessen. Ebenso wie eine der Gegenmaßnahmen des Christdemokraten Caldera, dessen zweite Regierung unter anderem von der Kommunistischen Partei Venezuela unterstützt wurde: Auch Caldera setzte in Reaktion auf die schwere Wirtschaftskrise in seiner zweiten Amtszeit in den neunziger Jahren die Preise für zahlreiche Lebensmittel und Konsumgüter fest.