Kontakte zwischen Bonner Behörden und Diktatur in Argentinien?

Akten des Bundeskanzleramts lassen auf Verbindungen der Geheimdienste schließen. Deutscher war 1976 gefoltert und ermordet worden

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Klaus Zieschank
Klaus Zieschank

Berlin/Buenos Aires. Das Bundeskanzleramt hat nach langem Drängen einige Dokumente aus der Zeit der argentinischen Militärdiktatur (1976-83) freigegeben, die auf Kontakte zwischen damaligen westdeutschen Geheimdiensten und der Junta in Buenos Aires hinweisen. Zudem lassen die internen Schriftstücke vermuten, dass die damalige Bonner Regierung und BRD-Diplomaten den Tod deutscher Staatsbürger in Argentinien billigend in Kauf genommen haben.

Unter den Dokumenten, die auch aus den Archiven des Auswärtigen Amtes stammen, befinden sich unter anderem heimlich aus der Haft geschmuggelte Schreiben eines deutschen Gefangenen der Militärjunta. Dem inhaftierten Klaus Zieschank war es gelungen, die Briefe aus seiner geheimen Folterhaft an Münchner Freunde zu schicken. Der damalige Generalsekretär der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Helmut  Frenz, übergab die Briefe daraufhin dem Außenamt. Immerhin bewiesen die Schriftstücke, dass der deutsche Student von Sicherheitsbehörden in Argentinien gefoltert wurde. Zugleich widerlegten Zieschanks Aussagen die These deutscher Diplomaten, dass die Folterer auf eigene Faust operierten und von der Militärjunta nicht zu kontrollieren seien.

Zieschank war am 26. März 1976 vier Tage nach seiner Einreise aus der Bundesrepublik von Bewaffneten verschleppt worden. Dies lässt nach derzeitiger Quellenlage nur den Schluss zu, dass seine Ankunft von den deutschen Geheimdiensten, die die Solidaritätsbewegung überwachten, ihren Kollegen am Rio de la Plata mitgeteilt wurde. Zieschank hatte zuvor in München auf seinen Namen eine Demonstration wegen der Ermordung des Anführers der chilenischen Bewegung der Revolutionären Linken (MIR), Miguel Enriquez, bei der Polizei angemeldet und war daher mit Sicherheit beim Verfassungsschutz registriert. Damals wusste jeder, was den Verschleppten in Argentinien blühte. Ein Hinweis an die argentinischen Sicherheitsbehörden kam daher einer Aufforderung zu Folter und Mord gleich.

Die westdeutsche Diplomatie vor Ort suchte nicht nach dem Verschleppten. Stattdessen gaben sich die Diplomaten mit der Erklärung von Juntachef Jorge Videla an Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) zufrieden. Demnach sollte Zieschank im August 1976 bei einem Verkehrsunfall in den Anden ums Leben gekommen sein. Später wurde seine Leiche identifiziert: angeschwemmt am Ufer des Rio de la Plata, gefesselt und offensichtlich aus großer Höhe in den Fluss geworfen.

Aus den jetzt freigegebenen Papieren geht hervor, dass Botschafter Jörn Kastl sich weigerte, die heimlich versandten Briefe Zieschanks als Beweis dafür zu nutzen, dass sich der deutsche Student tatsächlich in den Händen des argentinischen Geheimdienstes SIDE befand. Stattdessen kabelte er nach Bonn: "anrege kassiber bfv und bnd zugaenglich zu machen".

In dem Kassiber schrieb Zieschank, man habe ihn im Zusammenhang mit der "Junta Coordinación Revolucionaria", die von linken bewaffneten Organisationen der Diktaturstaaten Argentinien, Chile, Uruguay und Bolivien gebildet worden war, festgenommen und schwer gefoltert. Er warnte in dem Schreiben, dass er unter der Folter Informationen preisgegeben hatte. Und am Ende: "Achtung: der deutsche Geheimdienst arbeitet mit ihnen zusammen."

Unter den freigebenenen Unterlagen befindet sich kein Schriftstück an einen oder von einem deutschen Geheimdienst. Diese Dokumente werden weiterhin unter Verschluss gehalten.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) antwortete auf die Anfrage, seine Akten zu Argentinien offenzulegen, dass es keine Dokumente zu Argentinien finden könne. Ein Antrag auf Zugang zu seinen Registern wurde nicht beantwortet.

Zusatz der Redaktion:

Der Anwalt der Autorin, Raphael Thomas, hat im Dezember 2014 Klage gegen das BfV auf Freigabe der beantragten Akten bzw. Zugang zu den Findmitteln beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht. Er beruft sich auf das Bundesarchivgesetz, das Grundgesetz und das Informationsfreiheitsgesetz (IFG). Das 2005 verabschiedete IFG nimmt die Geheimdienste von dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Transparenz aus. Ob dies verfassungskonform ist, sollen die Richter in Karlsruhe entscheiden.