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Kolumbien stoppt Einsatz von Herbizid Glyphosat gegen Coca

Oberstaatsanwalt in Bogotá und US-Botschafter wehren sich gegen ein Verbot von Besprühungen mit dem Pflanzengift aus dem Hause Monsanto

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Einsatz von Herbiziden gegen Coca-Pflanzungen im kolumbianischen Regenwald
Einsatz von Herbiziden gegen Coca-Pflanzungen im kolumbianischen Regenwald

Bogotá. Die kolumbianische Regierung hat den Einsatz des Herbizids Glyphosat zur Bekämpfung von Coca-Pflanzungen wegen seiner mutmaßlich gesundheitsschädlichen Wirkung eingestellt. Ob dies einen Strategiewechsel im Kampf gegen die Drogen bedeutet, ist noch unklar. Berichten zufolge soll der Einsatz Ende Oktober dieses Jahres beendet werden.

Die Ankündigung der kolumbianischen Regierung folgte auf einen Bericht einer Expertengruppe der Weltgesundheitsorganisation, die das Herbizid am 20. März als "wahrscheinlich krebserregend" eingestuft hatte. Der nationale Rat für Betäubungsmittel hatte darauf einem Antrag des kolumbianischen Gesundheitsministeriums stattgegeben, die Besprühungen mit Glyphosat einzustellen. National und international sorgte diese Nachricht für Aufsehen. Ebenso schnell reagierten die Gegner, allen voran Oberstaatsanwalt Alejandro Ordóñez. Ohne Glyphosat werde Kolumbien in wenigen Monaten von Coca überschwemmt, warnte er. Es gäbe weder wissenschaftliche noch rechtliche Gründe, die Nutzung des Herbizides einzustellen. Noch vor der Entscheidung hatte Kevin Whitaker, US-Botschafter in Kolumbien in einem Gastkommentar in der Tageszeitung El Tiempo geschrieben, die Besprühungen wären ein sicheres und effizientes Mittel im Drogenkampf. Wer behaupte, die Auswirkungen auf die Gesundheit seien negativ, sei schlecht informiert.

Das Herbizid Glyphosat wird vom US-Agrar- und Saatgutunternehmen Monsanto hergestellt. Nachdem Afghanistan die Besprühungen von Drogenanbauflächen mit dem Mittel verboten hatte, blieb Kolumbien als letztes Land mit Lufteinsätzen übrig, finanziell und militärisch unterstützt von den USA. Von Vorteil für das Unternehmen ist, dass einzig die Besprühungen verboten wurden. Denn Glyphosat wird in Kolumbien vor allem in der Landwirtschaft benutzt.

Die Besprühungen hatten in Kolumbien 1978 unter der Regierung von Präsident Julio César Turbay Ayala (1978-1982) begonnen. Damals wurden die Marihuana-Plantagen in der Sierra Nevada von Santa Marta aus der Luft zerstört. Unter der Regierung von Belisario Betancur (1982-1986) nahm der Einsatz von Glyphosat erheblich zu. Unter Anregung des damaligen Gesundheitsministers Jaime Arias bat die Regierung noch internationale Experten um eine Studie über die Auswirkungen dieses Herbizides. Dieser Bericht kam zum Schluss, dass die Folgen des Glyphosats nicht einschätzbar waren und riet deshalb von der Verwendung ab. Weil es aber um die nationale Sicherheit ging, so die damalige Regierung, wurde der Einsatz des Herbizides dennoch legalisiert.

Seither haben die Besprühungen aus der Luft immer wieder für Kontroversen gesorgt. Bauerngemeinschaften, Menschenrechtsaktivisten, Umweltschützer und nationale und internationale Regierungen und Behörden waren sich in der Bewertung der Auswirkungen nie einig. Dies wiederum hat all die Jahre zu Bauernprotesten, Toten, Wissenschaftsstreits, Diskussionen und rechtlichen Klagen geführt.

Längst ist die Unmöglichkeit, bei den Einsätzen aus der Luft Koka-Plantagen von Nahrungsmitteln zu trennen, bekannt. Ebenso die erheblichen negativen Auswirkungen auf Gesundheit und Natur, wie auch die Tatsache, dass die Anbauflächen von Koka in Kolumbien dennoch zunehmen. Geändert hat sich zum einen nichts, weil die Lufteinsätzen auch eine Kriegsstrategie sind, und weil es bis dato an einer guten Alternative mangelt. Die manuelle Entfernung der Kokapflanzen, die seit einigen Jahren auch Staatspolitik ist, hat einen hohen Preis. Zwischen 2005 und 2013 haben dabei 200 Menschen ihr Leben verloren, 800 wurden verletzt. Sie wurden Opfer von Antipersonenminen, welche die Betreiber der Plantagen in den Kokaregionen strategisch legen. Einige Wissenschaftler haben nun Koka-fressende Schmetterlinge als Alternative vorgeschlagen. Die Effizienz dieses Ansatzes ist jedoch unklar. Realistischer ist wohl, dass Glyphosat einfach durch ein anderes Herbizid ersetzt wird. Seitens der kolumbianischen Regierung heißt es, die Alternativen würden bald bekannt gegeben.  


Dieser Artikel ist in einer ausführlicheren Variante zuerst bei askonline.ch erschienen. Er wird im Rahmen einer Content-Partnerschaft bei amerika21 publiziert.