Kritik an argentinischer Regierung wegen Armutsvergleich mit Deutschland

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Der argentinische Kabinettschef Aníbal Fernández
Der argentinische Kabinettschef Aníbal Fernández

Buenos Aires. Eine spontane Polemik hat der argentinische Kabinettchef Aníbal Fernández wegen seines Armutsvergleichs des lateinamerikanischen Landes mit Deutschland ausgelöst. Der Minister hatte am Dienstag in einem Interview mit dem argentinischen Sender Radio Blue behauptet, die Armutsrate in Deutschland läge bei 20 Prozent. Demgegenüber seien fünf Prozent der Argentinier von Armut betroffen.

Er berief sich dabei auf eine Angabe von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner während der aktuell in Rom stattfindenden 39. Konferenz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Wirtschaftsminister Axel Kicillof widerrief kurz darauf die Position der Regierung. Die Staatschefin habe nicht die von Armut Betroffenen, sondern die Hungernden gemeint. Auch habe Fernández die unterschiedlichen Berechnungsansätze, die den Statistiken in beiden Ländern zugrunde liegen, nicht berücksichtigt.

Kritisiert wurden der Kabinettchef und Regierungschefin Fernández von der Oppositionspartei Radikale Bürgerpartei für den Vergleich. Auch wurde der Vorwurf laut, die Fakten zu verschleiern. In den sozialen Medien kursierten Bilder extremer Armut in Argentinien, die die Angaben der Regierung ironisierten. Auch der argentinische Nachrichtensender TN hatte die Kritik aufgegriffen und das Bruttoinlandsprodukt beider Länder bezogen auf die Bevölkerung verglichen.

Die Polemik über die Glaubwürdigkeit der offiziellen Statistiken in Argentinien ist längst Teil der öffentlichen Debatte. Die letzte offizielle Angabe der von Armut betroffenen Bevölkerung ist von Dezember 2013, seither wurden vom nationalen Statistikamt (Indec) keine offiziellen Zahlen mehr veröffentlicht. Dies betrifft auch die Inflationsrate, die laut Regierung bei rund 20 Prozent liegt. Während private Analysten und Forschungseinrichtungen Werte um die 38 Prozent angeben.

Laut FAO liegt der Hungerindex in Lateinamerika bei unter fünf Prozent und ist demnach in den letzten 25 Jahren in absoluten Zahlen von 58 auf 27 Millionen Menschen, die unter extremer Armut leiden, gesunken. Das konstante Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion sowie erfolgreiche Sozialpolitiken zählen laut FAO zu den Hauptfaktoren, die die positive Entwicklung in der Region begünstigen. Die Leistungen Argentiniens für das Einhalten der Fünfprozentgrenze sind auf der diesjährigen Konferenz anerkannt worden.

Zur Ermittlung der Armut werden in Deutschland verschiedene Maßstäbe genutzt, einer der gebräuchlichsten ist ein Einkommen unterhalb von 60 Prozent des mittleren Nettoeinkommens pro Kopf und Haushalt. Der Paritätische Wohlfahrtsverband teilte in einem im Februar dieses Jahres veröffentlichten Bericht mit, dass die Armutsrate in Deutschland bei 15,5 Prozent liege, wobei in weiten Teilen des Landes der Anteil der Armen die 20-Prozent-Marke übersteige. Auch die Kinderarmut liege bei 19,2 Prozent.