Hohe Paramilitärs in Kolumbien aus Haft entlassen

Anführer paramilitärischer Gruppen werden unter Anwendung von Sondergesetz freigelassen. Kritiker beklagen Amnestie für Gewaltverbrechen

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Neben dem Eingang zum Gefängnis La Modelo
Neben dem Eingang zum Gefängnis La Modelo

Bogotá. Nach acht Jahren Haft im Gefängnis La Modelo ist am 16. September mit Úber Bánquez Martínez, alias Juancho Dique, ein weiterer Paramilitärführer freigekommen. Obwohl Martínez für die Anordnung und Durchführung von elf Massakern an der Zivilbevölkerung verurteilt worden ist, hat das Oberste Gericht ihn aufgrund des Sondergesetzes "Gerechtigkeit und Frieden" (Justicia y Paz) zur Strafreduzierung für Paramilitärs entlassen.

Martínez war Führer der paramilitärischen Einheit "Bloque Héroes de los Montes de María", mit der er an mehreren Massakern beteiligt gewesen war und massenhafte Vertreibungen von Bauern durchgeführt hatte. Die Freilassung basiert auf der Entscheidung des Obersten Gerichtes, das Martínez nach dem Sondergesetz verurteilt hatte und ihm Strafmilderung gewährt, da er alle notwendigen Bedingungen erfüllt habe.

Das Gesetz "Justicia y Paz" wurde vom früheren Präsidenten Álvaro Uribe zur Demobilisierung der paramilitärischen Gruppen durchgesetzt. Es ermöglicht die Reduzierung der Strafe für jegliche Verbrechen auf maximal acht Jahre Haft. Diese Regelung können alle Paramilitärs in Anspruch nehmen, auch Verantwortliche für die Verletzung von Menschenrechten oder Verbrechen gegen die Menschheit, wenn sie die drei Bedingungen des Gesetzes erfüllen: Die Gesellschaft muss um Verzeihung gebeten werden, die Entschädigung der Opfer muss unterstützt werden und nach der Verurteilung darf der Häftling keine weiteren Straftaten begehen.

Mit der Freilassung von Matrínez sind bereits mehrere hohe Führer der Paramilitärs nach lediglich acht Jahren Haft wieder in Freiheit. Am 20. August war Iván Roberto Duque, alias Ernesto Báez, vom selben Gericht entlassen worden, obwohl gegen ihn weiterhin im Verfahren um das Massaker von La Rochela ermittelt wird. Arnubio Triana Mahecha, alias Botalón, kam unter denselben Bedingungen bereits frei, obwohl er allein 309 Taten gestanden hatte, darunter Morde, Massaker und Entführungen. Noch in diesem Jahr sollen rund 200 weitere Paramilitärs entlassen werden.

Die Guerillaorganisation Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens (Farc) weist regelmäßig auf die Probleme des Paramilitarismus hin und bezweifelt die Möglichkeit eines Friedens ohne ein Ende dieser ultrarechten Verbände und deren Straffreiheit. Im Kommuniqué der Farc-Friedensdelegation in Havanna von 12. September heißt es, dass Paramilitärs in den Bundesländern Antioquia und Chocó weiterhin aktiv seien und die einseitige Waffenruhe nutzen würden, um Guerillakämpfer anzugreifen. In Dabeiba habe das kolumbianische Militär einen Stützpunkt verlassen, um ihn dann paramilitärische Truppen nutzen zu lassen.

Auch Menschenrechtsorganisationen weisen darauf hin, dass Paramilitärs die Zivilbevölkerung und oppositionelle Bewegungen tyrannisieren und nach der angeblichen Demobilisierung von 2006 mehrere hundert Aktivisten ermordet haben. Allein seit Beginn des Jahres 2015 seien 69 Menschenrechtler ermordet worden, darunter erst im September die Tochter des landesweiten Sprechers der Bankengewerkschaft (UNEB), Juliana León, die zuvor zwei Wochen lang verschwunden gemeldet gewesen war.