Volkstribunal gegen transnationale Konzerne in Kolumbien

Betroffene von Bergbau klagen Konzerne wegen Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen, Drohungen gegen die Bevölkerung und Umweltschäden an

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Logo des Volkstribunals gegen Transnationale Konzerne
Logo des Volkstribunals gegen Transnationale Konzerne

Riohacha, Kolumbien. Am 3. und 4. Oktober haben Indigene, Bauern und Afrokolumbianer aus dem Distrikt La Guajira im äußersten Nordosten Kolumbiens ein Volkstribunal gegen Transnationale Konzerne abgehalten. Unterstützt wurde das Tribunal von zahlreichen kolumbianischen Menschenrechtsorganisationen, landesweiten linken Bündnissen wie Marcha Patriótica, dem Congreso de los Pueblos und der Bewegung der Opfer staatlicher Gewalt (MOVICE) sowie bekannten Politikerinnen wie Piedad Cordoba und Gloria Inés Ramírez.  

Am ersten Tag des Tribunals führten die Aktivisten eine humanitäre Aktion in der Siedlung Oreranal durch, in der die Menschen von dem Bergbaukonzern Cerrejón zwangsumgesiedelt worden sind. Während des Besuchs wurden Kinder untersucht, Wasserqualität und Lebensbedingungen der Menschen vor Ort überprüft sowie verschiedene Arbeitsgruppen angeboten. Die Veranstalter sagten gegenüber amerika21, dass sie keine Spenden mitbringen wollten, die schnell aufgebraucht würden. Man wolle den Bewohnern stattdessen unter anderem Methoden für die Reinigung von Wasser beibringen. Die Aktion diente zudem der Verifizierung und der Aufnahme von Aussagen von Zeugen, die nicht öffentlich sprechen wollten, sowie der juristischen Vorbereitung des Volkstribunals. Die Aktion wurde von einer medizinischen und einer internationalen Menschenrechtsdelegation begleitet.

Bei dem Volkstribunal am 4. Oktober in Riohacha wurden zunächst Betroffene und Aussagen der Opfer gehört, die im zweiten Schritt ihre kollektiven und individuellen Anklagen präsentierten. Die "Richter" befanden die Konzerne Cerrejón, Chevron und Colombia Carbón für Menschenrechtsverletzungen, massive Vertreibung, Drohungen gegen die Bevölkerung, Verseuchung der Umwelt, Korruption und mangelnde Entschädigung der Opfer für schuldig.

Die beschuldigten Konzerne erhielten daraufhin das Recht der Verteidigung, waren jedoch nicht erschienen. Im letzten Schritt wurde von den Anwälten und den internationalen Geschworenen die Anklage verlesen. Dem Gericht saßen internationale Beobachter und nationale Menschenrechtsverteidiger sowie Anwälte bei. Der beisitzende Anwalt Marcelo Chalreo, Vorsitzender der Menschenrechtskommission der Anwaltskammer Brasiliens, betonte die Legitimität der Volkstribunale in Ländern, in denen es aufgrund mangelnder Rechtsstaatlichkeit und Korruption keine Möglichkeiten der juristischen Handhabe gegen Menschenrechtsverletzungen gebe.

Das Volkstribunal wurde nach dem Vorbild des Russel-Tribunals ausgeführt, in dem 1967 die US-amerikanischen Kriegsverbrechen in Vietnam angeklagt wurden. Am Tag der Veranstaltung empfingen die versammelten Menschen eine Videobotschaft der Delegation der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) aus Havanna. Der Abschlussbericht soll im Folgenden als Grundlage für weitere rechtliche und politische Maßnahmen zugunsten der Geschädigten dienen.

Die fortschreitende Ausweitung der Wüste in La Guajira führte in den letzten Jahren dazu, dass mehr als 37.000 Kinder in der Region laut der Weltgesundheitsorganisation unterernährt und mindestens 5.000 Kinder an Unterernährung gestorben sind. Betroffen sind vor allem afrokolumbianische und indigene Gemeinschaften. Der extreme Wassermangel, der die humanitären Krise auslöst, wird vor allem durch die Umleitung und Privatisierung des größten Flusses der Region für das weltweit größte Kohletagebauprojekt verursacht.