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Völkermordprozess in Guatemala beginnt am Montag

Ehemaliger Oberbefehlshaber der Armee vor Gericht. Schleppende Aufklärung der Bürgerkriegsverbrechen. Vertreter von Opfern fordern Gerechtigkeit nach langem Kampf

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Pressekonferenz von ODHAG und AJR im Vorfeld des Prozesses in Guatemala
Pressekonferenz von ODHAG und AJR im Vorfeld des Prozesses in Guatemala

Guatemala-Stadt. Ab heute muss sich der ehemalige Generalstabschef der guatemaltekischen Armee, Manuel Benedicto Lucas García, vor Gericht verantworten. Zur Last gelegt werden ihm schwere Menschenrechtsverletzungen im Zusammenhang mit Massakern an der Zivilbevölkerung während des Bürgerkrieges (1960-1996) in der Region Ixil im Norden Guatemalas.

Die beiden Mitbeschuldigten, der Chef des Nachrichtendienstes der Armee, Manuel Antonio Callejas y Callejas und der Chef der operativen Abteilung, César Octavio Noguera Argueta, müssen sich nicht mehr vor Gericht verantworten. Noguera verstarb 2020. Bei Callejas wurde eine Demenz diagnostiziert und seine Strafverfolgung nach richterlichem Beschluss am 3. Januar dieses Jahres "ausgesetzt". Die Erkrankung wurde auch in einer vom Menschenrechtsbüro des Erzbistums Guatemalas (ODHAG) veranlassten gerichtlichen Überprüfung bestätigt. Das ODHAG unterstützt die Nebenkläger rechtlich.

García war von August 1981 bis März 1982 Generalstabschef der Armee. Er ist der Bruder von Fernando Romeo Lucas García, der Guatemala von 1978 bis 1982 regierte. Seine Amtszeit und die seine Nachfolgers Efrain Rios Montt, der sich am 23. März 1982 an die Macht putschte, gelten als die blutigsten Zeiten des 36-jährigen Bürgerkrieges.

Insgesamt kamen in dem Krieg über 200.000 Menschen ums Leben, 45.000 gelten als vermisst. Für einen Großteil der begangenen Verbrechen werden staatliche Stellen verantwortlich gemacht. Rund 80 Prozent der Opfer sollen Angehörige Indigener Volksgruppen gewesen sein.

ODHAG und die Vereinigung für Gerechtigkeit und Versöhnung (AJR) nennen in einer Pressemitteilung Details der Vorgänge in Ixil. In den Landkreisen Santa María Nebaj, San Gaspar Chajul und San Juan Cotzal sind "mindestens 1.772 mit Vornamen und Familiennamen bekannte Menschen getötet worden". Unter ihnen "Kinder, Senioren, Männer, Frauen, auch schwangere Frauen, in 32 selektiven und sonstigen Massakern". Dabei wurden "23 Dörfer komplett zerstört, mit Brandstiftungen, Zerstörung von Aussaat und Ernte, Verfolgungen, gewaltsamen Vertreibungen und Bombardierungen". Die durch die Vertreibungen verursachten Krankheiten und Hunger hätten "hunderte weitere Tote zu verursacht".

Manuel Lucas Garcia hat in seiner Verantwortung als Armeechef neben den Massakern im Norden des Departamento Quiché auch "Militäroperationen" gegen die "Mayabevölkerung in den Departamentos Ixcán, Baja Verapaz, Chimaltenango und Huehuetenango angeordnet".

"Dem Verfahren ist ein langer Kampf vorausgegangen", die Gemeinden in Ixil "haben sich in den Jahren 2000/2001 organisiert und Beweise für die Verbrechen vorgelegt", erklärt José Silvio, Sprecher der AJR, gegenüber amerika21. Die Betroffenen fordern "Gerechtigkeit, keine Rache". 

Nach dem Bürgerkrieg gestaltete sich die Aufarbeitung der Verbrechen schwierig. Fernando Lucas García ging 1994 nach Venezuela ins Exil. 1999 leitete der Nationale Gerichtshof Spaniens auf Antrag der Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchu, die selbst im Bürgerkrieg zahlreiche Angehörige verloren hatte, Ermittlungen gegen ihn ein. Der Oberste Gerichtshof Venezuelas lehnte seine Auslieferung am 22. Juni 2005 ab, er starb am 27. Mai 2006 im Exil.

Manuel Lucas Garcia wurde im Mai 2018 im "Fall Molina Theissen" wegen Verschwindenlassen, Folter und sexuellem Missbrauch zu 58 Jahren Haft verurteilt. Das Urteil umfasste aber nicht die jetzt angeklagten Massaker an der indigenen Bevölkerung. Mitangeklagt waren auch Callejas und weitere Militärs. Die Angeklagten legten Berufung ein und durften am 9. Juni 2023 das Militärkrankenhaus, in dem sie bis dahin inhaftiert waren, verlassen.

Das aktuelle Verfahren wurde am 30. August 2021 erstmals zur Anklage gebracht, damals noch unter Vorsitz des Richters Miguel Ángel Gálvez, der durch engagierte Prozesse in Guatemala bekannt geworden war. Gálvez musste das Land Ende 2022 verlassen. Gegen ihn wie gegen andere Juristen hatte es als konstruiert eingeschätzte Anklagen und Drohungen aus rechtsextremen Kreisen gegeben.

Das Verfahren dürfte die letzte Möglichkeit in Guatemala sein, dass gegen mutmaßliche Verantwortliche auf höchster Ebene ein Urteil wegen der Massaker an der indigenen Bevölkerung in den 1980er Jahren gesprochen wird.