Brasilien muss sich wegen Staudammbau vor der CIDH verantworten

Verfahren der Interamerikanischen Menschenrechtskommission gegen Brasilien wegen Mißachtung indigener Rechte durch geplanten Staudamm Belo Monte

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Indigene wehren sich seit Jahren gegen das Projekt. Hier mit einer Besetzung der Baustelle im Mai 2013
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Indigene wehren sich seit Jahren gegen das Projekt. Hier mit einer Besetzung der Baustelle im Mai 2013 (Screenshot)

Washington/Brasília. Die Menschenrechtskommission der Organisation AmerikanischerStaaten (OAS) hat offiziell das Verfahren gegen Brasilien im Zusammenhang mit dem Staudamm Belo Monte eröffnet.

Vorausgegangen waren vier Jahre gegenseitiger Schuldzuweisungen und Anfeindungen sowie neue Fristandrohungen und Zurückweisungen derselben. Zwischenzeitlich hatte die brasilianische Regierung angedroht, die bereits zugesagten Finanzmittel für die Interamerikanische Menschenrechtskommission CIDH einzufrieren. Der Prozess vor der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wegen Mißachtung der Rechte der vom Staudamm Belo Monte betroffenen Indigenen war in der Sache selbst jedoch nicht vorangekommen. Im Dezember wurde es schließlich offiziell - nahezu zeitgleich zur Entscheidung der brasilianischen Umweltbehörde, die Flutungsgenehmigung für den künftig drittgrößten Staudamm der Welt, Belo Monte am Fluss Xingu im nordbrasilianischen Bundesstaat Pará, freizugeben und die Flutung in Gang zu setzen.

Grundlage des nun eröffneten Verfahrens sind die gemeinsam eingereichten Beschwerden der Menschenrechtsorganisationen Justiça Global und der Sociedade Paraense de Defesa dos Direitos Humanos (SDDH) aus Brasilien sowie der Umweltrechtorganisation AIDA aus den USA. "Es ist höchste Zeit, dass Brasilien vollumfänglich zu antworten hat auf unsere Klageeinreichung wegen der nicht erfolgten vorherigen, freien und informierten Konsultation der betroffenen indigenen Gemeinschaften, wegen der fehlenden Partizipation und des Mangels an angemessenen Umweltverträglichkeitsprüfungen in den Bereichen [Durchführung und Folgen der] Zwangsumsiedlungen sowie wegen der Verletzungen der Rechte der indigenen und Flussanwohnergemeinschaften sowie der Bewohner der Stadt Altamira", erklärte María José Veramendi Villa, Rechtsanwältin von AIDA. "Die Eröffnung des Falls ist vor allem ein Erfolg der betroffenen Bevölkerungen und der involvierten sozialen Bewegungen, die all diese Jahre Widerstand geleistet haben und beständig wie entschlossen um Gerechtigkeit und Entschädigungen gekämpft haben", erläuterte Raphaela Lopes, Anwältin von Justiça Global.

Die CIDH hatte 2011 Brasiliens Staudammprojekt Belo Monte wegen Mißachtung indigener Rechte ungewöhnlich scharf kritisiert und die Einstellung des Projekts gefordert. Daraufhin hatten Brasiliens Regierungsvertreter zunächst "perplex" reagiert und jede äußere Einmischung in innere Angelegenheiten abgelehnt. Da Brasilien aber Unterzeichnerstaat der ILO-Konvention 169 zum Schutze indigener Rechte und Unterzeichnerin der Amerikanischen Menschenrechtskonvention (AMRK) ist, muss Brasilien auf die Vorwürfe internationaler Gremien reagieren. Die Frage, ob ein formeller Prozess von der Kommission eingesetzt werden soll, war der Gegenstand der nunmehr vier Jahre dauernden Grundsatzdebatte beim CIDH. Nun ist der Fall offiziell eröffnet - während das Xingu-Wasser bereits den Stausee füllt.

In Brasilien selbst liegen mehr als zwei Dutzend von den Bundesstaatsanwaltschaften eingereichte Klagen gegen Belo Monte derzeit auf Eis. Wann sich der Oberste Gerichtshof des Landes damit auseinandersetzen wird, ist nach Einschätzung vieler Beobachter eher eine Frage des politischen Willens - und der bald vollendeten Tatsachen, wenn das Wasserkraftwerk in Betrieb ist.

Für eine Kapazität von bis zu elf Gigawatt soll der Staudamm eine Fläche größer als den Bodensee fluten, während ein anderer Flussabschnitt, die "Volta Grande", deutlich weniger Wasser erhalten wird. Die gegen das Projekt kämpfenden Indigenen, Flussanwohner und Umweltgruppen warnen seit Jahren vor der Zerstörung von Schutzgebieten und Regenwaldflächen. Zudem drohten mehr als 30.000 Menschen die Zwangsumsiedlung, die Lebensweisen indigener Völker seien bedroht und tausende Fischer stünden vor dem Verlust ihrer Existenzgrundlage

Am Bau beteiligt sind auch zwei deutsche Unternehmen: die Münchner Rück, eine der weltweit führenden Rückversicherungsgesellschaften sowie der Technologiekonzern Siemens.