Guatemala-Stadt. Nur zwei Tage nach Übernahme der Amtsgeschäfte durch den neuen Präsidenten Jimmy Morales haben Vertreter der "Volksversammlung" eine Protestkundgebung im Zentrum der Hauptstadt durchgeführt. Die Aktion sollte "eine Mitteilung an die neue Regierung sein, dass wir als Bürger Guatemalas hier sind und auf der Suche nach Veränderung auch die Macht übernommen haben", erklärte Gabriel Wer, einer der Organisatoren.
Die Volksversammlung, ein Bündnis aus indigenen- und Bauernorganisationen sowie Gewerkschaften und verschiedensten gesellschaftlichen Organisationen, gründete sich im vergangenen Jahr im Zuge der großen Proteste. Das Bündnis fordert die Bürger nun auf, weiterhin ihre Rechte und Gesetzesreformen zugunsten des Volkes zu verlangen.
Am 14. Januar hatte Jimmy Morales sein Amt als Regierungschef angetreten. Seinem Wahlspruch "weder korrupt noch Dieb" blieb er in seiner Antrittsrede treu. Diese wurde weithin als oberflächlich bewertet, da sie keine Richtung erkennen ließ, wie die Regierung der aktuellen Krise des Landes entgegenzutreten gedenke. Neben dem fehlenden Regierungsplan war Morales auch seinem Versprechen, das Regierungskabinett vorab bekannt zu geben, nicht nachgekommen.
Schon am ersten Tag nach der Ministereinsetzung wurde die Wahl der Ministerin für Kommunikation, Sherry Ordóñez, in Frage gestellt. Ordóñez besitzt eine Firma, die in den vergangenen Jahren Staatsaufträge im Wert von knapp zwei Millionen Euro erhalten haben soll. Diese Situation stellt das Versprechen von Morales, seine Regierungszeit ohne Anzeichen für Korruption zu beginnen, auf den Prüfstand.
Des Weiteren haben nur einen Tag nach der konstituierenden Sitzung des Parlaments ein Drittel der neu gewählten Kongressabgeordneten die Partei gewechselt. Ein Verbot von Parteiwechsel als Abgeordneter ist schon seit längerem ein Punkt auf der Agenda notwendiger politischer Reformen.
In einem Kommuniqué der Volksversammlung zur Kundgebung am Samstag, an der hunderte Menschen teilnahmen, heißt es, das politische System Guatemalas erfordere einen grundlegenden Wandel, um die Rechte der ganzen Bevölkerung wahrnehmen zu können. Es sei nötig, das jetzige System, das nur zugunsten einer kleinen Gruppe funktioniere, zu zerstören. Die im vergangenen Jahr geforderten Reformen des Wahl- und Parteiengesetzes seien blockiert worden.
Soziale Konflikte, Gewalt und eine chronische Unterernährung bei der Hälfte der guatemaltekischen Kinder prägen das Krisen geschüttelte mittelamerikanische Land. Notwendige Reformen, wie die der staatlichen Institutionen und der Wahlgesetze, wurden seit den Friedensverträgen von 1996 verschleppt. Die Missstände zeigen sich unter anderem im maroden Gesundheitssystem und den klientelistisch organisierten Sozialprogrammen.