Brasília. Am Sonntag haben in zahlreichen Städten in Brasilien erneut rund hunderttausend Bürgerinnen und Bürger gegen den De-facto-Präsidenten Michel Temer und dessen politische Führung protestiert. In Rio de Janeiro beteiligten sich tausende von Anhängern der Landlosenbewegung MST an den Demonstrationen. Sie forderten eine sofortige Landreform.
Temer war vor wenigen Tagen im Zuge eines in Brasilien und international umstrittenen Amtsenthebungsverfahrens gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff an die Macht gekommen. Anhänger der linksgrichteten Politikerin und mehrere lateinamerikanische Regierungen bezeichnen den Machtwechsel als Putsch.
Die Demonstranten in Brasilien fürchten jetzt besonders, dass der De-facto-Präsident die Gespräche beim Gipfel der G20 in China genutzt hat, um brasilianisches Agrarland im großen Stil ausländischen Konzernen anzubieten. Besonders China hat ein erhebliches Interesse am Aufkauf von ausgedehnten und zusammenhängenden Landstrichen in Südamerika, um die Ernährungssicherheit seiner Bevölkerung auch in Zukunft garantieren zu können. Die Brasilianer fürchten, dass dadurch langfristig die eigene, ohnehin prekäre Ernährungssicherheit gefährdet wird. Unter der Präsidentschaft von Dilma Rousseff hat ein brasilianisches Gesetz dem Landverkauf eine Obergrenze von jeweils 1.000 Hektar gesetzt. Auch das Grenzgebiet in einer Breite von 1.000 Kilometern durfte nicht an ausländische Käufer veräußert werden.
Diese Bestimmungen sollen sich unter der als Putschregierung bezeichneten Führung von Temer nun ändern. Schon vor der Abreise des Politikers nach China hat sein neuer Minister für Landwirtschaft, Blairo Maggi, Großgrundbesitzer und einer der größten Sojaanbauer der Welt, den Weg für großangelegte internationale Landkäufe geebnet. Mit den Einnahmen aus diesen Geschäften will er das Defizit in der Staatskasse ausgleichen. "Wir werden ihnen ziemlich viel verkaufen, wenn sie uns rasch entgegenkommen", so Maggi. Er reiste mit Temer zum G-20-Gipfel nach China.
Währenddessen wurde unter Temer die Regulierung des indigenen Landbesitzes weiter vertagt. Ein Verfassungsreformprojekt sah vor, die Besitzrechte des indigenen Landes durch den Senat abzusichern. Das lukrative Geschäft mit den geraubten Ländereien ist einer der Gründe für die Ausbreitung paramilitärischer Banden in mehreren südamerikanischen Staaten, die im Auftrag multinationaler Konzerne die Indigenen aus ihren angestammten Gebieten vertreiben.