Konflikt mit Banden in El Salvador flammt wieder auf, Regierung hilflos

Interner Konflikt verschärft sich weiter. Kriminelle Banden gewinnen an politischem Einfluss. Historische Gründe für hohe Mordrate

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Tätowierung eines Mara-Mitgliedes in El Salvador
Tätowierung eines Mara-Mitgliedes in El Salvador

San Salvador. El Salvador ist das kleinste Land Mittelamerikas und das gefährlichste. Die Mordrate des Jahres 2016 gehört zu den höchsten in der Welt. Im vergangenen Jahr wurden über 5.200 Menschen ermordet – bei einer Bevölkerung von sechs bis sieben Millionen. Mitverantwortlich dafür sind die als "Maras" oder "Pandillas" bezeichneten Straßengangs, die sein den 1990er Jahren in vor allem in El Salvador, aber auch in den Nachbarländern Honduras und Guatemala ihr Unwesen treiben. Die beiden wichtigsten, die "Mara Salvatrucha" und "Barrio 18", wurden Ende der 1980er Jahre in den USA gegründet. Heute sind zehntausende Jugendliche und junge Männer – sowie einige Frauen – Mitglieder der Pandillas.

Alejandro Ocampo ist Psychologe aus San Salvador und hat in der Gewaltprävention, sowie mit Pandilleros und Mareros gearbeitet. "Man geht davon aus, dass es etwa 60.000 aktive Pandilleros in El Salvador gibt, davon sitzen 13.000 in den Gefängnissen", sagt Ocampo: "Rechnet man zu den aktiven Bandenmitgliedern noch Freunde, Helfer und Familienangehörige dazu, kommt man auf über 400.000 Menschen, die von dem Phänomen profitieren."

Gemeinschaftsgefühl und bedingungslose Treue halten die Pandillas zusammen; aber untereinander bekriegen sie sich auf Leben und Tod. Allein 2015 sind 6.600 meist junge Männer erschossen worden.

Für Jose Santos Guevara, dem Vorsitzenden der Entwicklungsorganisation ACUDESBAL in der Region Bajo Lempa, ist die Gewalt ein Produkt der Wirtschaftskrise, der Armut und der fehlenden Gerechtigkeit. Er zeichnet ein düsteres Bild: "Die Gewalt verschlimmert sich jeden Tag, obwohl die Regierung einiges versucht hat, mit dem 'Plan der harten Hand', dem 'Plan der superharten Hand' und jetzt dem 'Plan sicheres El Salvador'. Aber das hat sich hauptsächlich auf Repression konzentriert; um die Gewaltprävention und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft hat man sich kaum gekümmert."

Tatsächlich hat die heftige Repression der Regierung unter Ex-Präsident Tony Saca von der rechtsgerichteten Arena-Partei nichts gebracht. Erst 2012 wurde unter dem ersten linken Präsidenten Mauricio Funes heimlich eine Art Waffenstillstand zwischen dem Staat und den beiden wichtigsten Banden, der Mara Salvatrucha und Barrio 18 ausgehandelt: "La Tregua" sorgte tatsächlich für einen deutlichen Rückgang der Mordrate. Doch die Schutzgelderpressungen fanden weiterhin statt und die Banden breiteten sich über das ganze Land aus. Schließlich wurde der Waffenstillstand aufgekündigt, die Hafterleichterungen für Bandenchefs wurden aufgehoben, und die Mordrate schnellte wieder nach oben. Im Januar 2015 verkündete die aktuelle Linksregierung unter Salvador Sánchez Cerén dann den "Plan sicheres El Salvador". In der Theorie verbindet dieser repressive Maßnahmen mit fortschrittlichen Ansätzen wie Gewaltprävention und Ideen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Neu daran ist die Betreuung der Opfer.

Doch das hierfür notwendige Geld versickert in den dunklen Kanälen der Korruption oder wird außer Landes gebracht. So bleibt von den vielfältigen Plänen vorerst nur die Repression übrig, die im April 2016 noch einmal durch "außergewöhnliche Maßnahmen" verschärft wurde. 

Vertreter sowohl der rechten ARENA-Partei als auch auch der regierenden linken FMLN haben mit Führern der Pandillas verhandelt; dabei soll es um Wählerstimmen gehen. Denn die Pandillas sind, spätestens seit der "Tregua", auch zu einem politischen Akteur geworden. Sie können Wählerstimmen und Einfluss liefern. Und sie haben Waffen, die ausreichen, um es mit Armee und Polizei aufzunehmen.

Statt eines Waffenstillstandes und eines "sicheren El Salvadors" hat sich also der Konflikt seit 2015 wieder erheblich verschärft. An manchen Tagen wurden über 30 Menschen ermordet. Polizisten haben angekündigt, ihre eigenen Todesschwadronen gründen zu wollen. Von Januar 2015 bis zum August 2016 haben Armee und Polizei 700 Verdächtige erschossen. Im Kampf, wie es heißt.

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