München. Ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen hat die Siemens AG bei der diesjährigen Hauptversammlung aufgefordert, ihre unternehmerische Selbstverpflichtung zur Wahrung der Menschenrechte in allen Bereichen der Liefer- und Abnehmerkette einzuhalten. Siemens steht in vielen Ländern durch die Lieferung an Energieprojekte wie Agua Zarca in Honduras, Belo Monte und Jirau in Brasilien sowie an Windenergieanlagen in Mexico und in der Westsahara in der Kritik. Sogenannte "grüne Energieprojekte", an denen der Konzern durch seine Beteiligung eine Mitverantwortung an Menschenrechtsverletzungen und Landraub habe, so die gemeinsame Pressemitteilung.
Dem Bündnis gehören der Dachverband Kritische Aktionäre, Pro Regenwald, Gegenströmung, Medico International, Ökumenisches Büro für Frieden und Gerechtigkeit und Western Sahara Resource Watch an.
Siemens liefert mit dem Wasserkraftturbinenhersteller Voith Hydro, an dem der Konzern einen Anteil von 35 Prozent hält, nach Lateinamerika und Afrika Turbinen, Windkraftanlagen und ganze Transformatorenstationen. Auf ihren Webseiten wird mit ökologisch sauberem und fairem Wirtschaften geworben.
Dies klinge in Anbetracht der Ermordung von Berta Cáceres in Honduras zynisch, so das Bündnis. Cáceres, eine international renommierten Menschenrechtsaktivistin war im März 2016 in ihrem Haus in La Esperanza erschossen worden. Sie stellte sich zusammen mit den indigenen Gemeinden in Rio Blanco gegen den Bau des Wasserkraftwerks Agua Zarca. Tomás Gómez, aktueller Koordinator der indigenen Organisation COPINH, zeigte in seiner Rede bei der Jahreshauptversammlung die direkten Verbindungen auf, die zwischen den bisher Verhafteten im Mordfall Cáceres und dem Voith Hydro-Vertragspartner und Betreiber des Wasserkraftwerks Desa bestehen. Gómez unterstrich, dass Siemens sich durch sein Nicht-Handeln zum Komplizen bei dem Mord gemacht habe. Es sei bereits die vierte Jahreshauptversammlung, in der der Konzern über die Situation in Rio Blanco und die Praktiken der Desa detailliert informiert werde.
Gegenüber amerika21 erklärt Andrea Lammers vom Ökumenischen Büro für Frieden und Gerechtigkeit, dass sich der weltgrößte Staudammbauer Sinohydro nach der Ermordung des Agua Zarca- Gegners Tomás García 2013 wenig später aus dem Vorhaben zurückgezogen habe. Die Ermordung Cáceres hätte der Wendepunkt sein können, stattdessen habe Siemens gerade mal die vorläufige Suspendierung des Projektes begrüßt. Gómez und Lammers fordern den sofortigen Rückzug, die Einhaltung internationaler Abkommen als auch der eigenen unternehmerischen Sorgfaltspflicht. Agua Zarca stehe emblematisch für Energiegroßprojekte, mit denen die indigenen Rechte und das Recht auf Leben verletzt würden.
Joe Kaeser, der Vorstandvorsitzende der Siemens AG, wies den Vorwurf der Komplizenschaft als "unfair"zurück: das Unternehmen sei nicht direkt an Agua Zarca beteiligt. Er glaube aber, dass Siemens insofern eine Mitverantwortung habe, dass der Konzern nicht mit einer blutbefleckten Maschinerie in Verbindung gebracht werden wolle.
Laut Pressemeldung des Bündnisses mische Siemens jedoch auch auf dem afrikanischen Kontinent in zweifelhaften Projekten mit. So liefere das Unternehmen E-House-Transformatorstationen nach Namibia, Siemens verschweige den Namen der dortigen Uranmine, so Christian Russau vom Dachverband Kritische Aktionäre, Deutsche Firmen würden trotz des in Deutschland propagierten Atomausstiegs weiter am globalen Atomgeschäft partizipieren, so Russau weiter. In der Westsahara, die von Marokko seit 1975 besetzt ist, gehe Siemens mit einer Energiefirma im Besitz des marokkanischen Königs Großverträge um Windkraftanlagen ein. Erik Hagen von Western Sahara Resource Watch erklärte, dass die saharauische Bevölkerung ihr Einverständnis zu diesen Projekten nicht gegeben habe, darüber hinaus unterminierten sie die Bemühungen der Vereinten Nationen bei der Lösung des Jahrzehnte währenden Konfliktes.
Am Morgen der Hauptversammlung kletterten Aktivisten von Robin Wood auf die Olympiahalle in München und befestigten ein Transparent mit der Aufschrift "Siemens geht über Leichen, Staudamm Agua Zarca Stoppen". Auf einem anderen Transparent war William Rodriguez abgebildet, ein Agua Zarca-Gegner und Mitglied von COPINH, der im Mai 2014 in Rio Blanco ermordet wurde. Robin Wood solidarisiere sich mit Menschen, die in Honduras und weltweit gegen korrupte und fehlgeleitete Energie- und Entwicklungspolitik kämpfen, so eine Aktivistin der Initiative.