Massive Proteste gegen privates Rentensystem in Chile

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Über zwei Millionen Chilenen und Chileninnen haben am Sonntag gegen das private Rentenversicherungssystem demonstriert
Über zwei Millionen Chilenen und Chileninnen haben am Sonntag gegen das private Rentenversicherungssystem demonstriert

Santiago de Chile. Über zwei Millionen Chilenen und Chileninnen haben in mehreren Städten gegen das private Rentenversicherungssystem demonstriert. Organisatoren sprechen von einem “historischen Marsch“.

Die von Gewerkschaften und sozialen Organisationen organisierten Proteste zielen auf die Abschaffung des privaten Systems der Altersvorsorge, kurz AFP (Administadoras de Fondos de Pensiones) ab. Dieses zwingt alle Beschäftigten, Verwaltungsgebühren sowie zehn Prozent ihres Lohnes in Fonds einzuzahlen, die von privater Hand verwaltet werden. Mit Hilfe der Einzahlungen in die Rentenfonds können Investitionen im Interesse der privaten Anbieter finanziert werden. In den vergangenen Jahren lässt sich eine zunehmende Konzentration derselben beobachten. "Es gibt praktisch keinen Wettbewerb, es hat sich ein Oligopol gebildet. Die wenigen Unternehmen, die den Dienst anbieten, unterstützen sich gegenseitig und üben dadurch Marktmacht aus. Sie legen viel zu hohe Preise fest und verhindern den Wettbewerb", kritisiert der Koordinator der Bewegung NO+AFP, Luis Messina. Seit Jahren setzt sich NO+AFP für ein neues solidarisches und öffentliches Rentenversicherungssystem ein, bislang ohne Erfolg.

Nach Angaben des chilenischen Nachrichtenportals El Dínamo habe das Anlagekapital der AFP im März 2016 über 163 Milliarden US-Dollar betragen. Das chilenische Bruttoinlandsprodukt des Jahres 2015 lag – im Vergleich dazu – bei rund 240 Milliarden US-Dollar. Jene Unternehmen, die die Altersvorsorge verwalten, verfügen also über mehr als halb soviel Geld wie das BIP ausmacht.

Die durchschnittliche Höhe der Renten in Chile liegt unterhalb des Mindestlohns und beträgt für Männer 38 Prozent des früheren Einkommens, Frauen erhalten nur 28 Prozent. Aus diesem Grund forderten die Organisatoren am Sonntag "alle Arbeiterfamilien Chiles auf, sich zu beteiligen und klarzustellen, dass wir AFP nicht wollen, weder privat noch staatlich. Wir werden keine kosmetischen Reformen tolerieren, die keine Lösung für die niedrigen Renten und den permanenten Betrug darstellen, dem wir, chilenische Arbeiter, seit 36 Jahren ausgesetzt sind."

Das kapitalgedeckte Rentenversicherungssystem ist ein Überbleibsel der Diktatur unter Gneral Augusto Pinochet (1973-1990). Initiiert wurde die Privatisierung im Jahr 1980 vom damaligen Arbeitsminister, José Piñera, dem Bruder des ehemaligen Präsidenten, Sebastián Piñera, und Verfechter der Chicagoer Schule.

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