Justiz in Kolumbien annulliert Prozess wegen Verbrechen des Militärs

"Falsos Positivos" sollen von Sonderjustiz verhandelt werden. Morde an Zivilisten als Handlungen im Rahmen des bewaffneten Konflikts gewertet

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Die drei Opfer gehören zu den 19 Jungen, die im Jahr 2008 aus dem Slum Soacha in
Die drei Opfer gehören zu den 19 Jungen, die im Jahr 2008 aus dem Slum Soacha in Bogotá, Kolumbien, verschwanden

Bogotá. Für große Empörung hat ein Richter in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá mit der Weigerung gesorgt, gegen zwölf Militäroffiziere wegen der Verschleppung und Ermordung von drei Jugendlichen im Jahr 2008 zu ermitteln. Die Straffälle fallen nach seiner Auffassung nicht in die Zuständigkeit der normalen Justiz, sondern in die der "Sonderjustiz für den Frieden" (JEP), deren Sanktionen viel niedriger sind. Da diese Sonderjustiz, die Verbrechen des bewaffneten Konflikts aufklären soll, ihre Arbeit noch nicht aufgenommen hat, befinden sich die Verfahren nun in einem rechtlichen Schwebezustand. Opfer des Militärs warnen, dass diese Entscheidung den Weg zur Einstufung von Morden an Zivilisten als Handlungen im Rahmen des bewaffneten Konflikts ebnen könnte. Damit könnten Mörder aus den Reihen des Militärs Vorteile der JEP genießen.

Dass die drei Jugendlichen nicht im Rahmen des bewaffneten Konflikts ermordet wurden, ist indes eindeutig. Sie wurden aus einem Slum von Bogotá mit falschen Jobversprechen in einen 600 Kilometer entfernten Ort gelockt, wo Militärs sie "kaltblütig ermordet" und als gefallene Kämpfer der Guerillas und Paramilitärs präsentiert haben, sagt der Menschenrechtsaktivist Alberto Yepes. Einer der Männer, der sie angeheuert hatte, gestand, dass er die Jungen für Geld an die Armee geliefert hat. Es ginge zunächst also um den Handel mit wehrlosen Menschen, die nichts mit dem bewaffneten Konflikt zu tun hatten, erklärt die Anwältin von zwei der Opfer.

Die drei Opfer gehören zu den 19 Jungen, die im Jahr 2008 aus dem Slum Soacha in Bogotá verschwunden waren. Sie sind Teil der sogenannten Falsos Positivos, von 3.500 Zivilisten, die die Sicherheitskräfte zwischen 2002 und 2009 landesweit ermordet und als bewaffnete Kämpfer, meistens der Guerillas, präsentiert haben.

Für Unruhe unter den Familienangehörigen der Opfer sorgte die Entscheidung des Richters auch, weil sie seit neun Jahren auf die Verlesung der Anklage gegen die zwölf Militärangehörigen warten, berichtet die unterstützende Anwältin der Organisation Minga, Pilar Castillo. Die Handlung des Richters sei nicht rechtmäßig gewesen. Laut den Regelungen der JEP dürfen die Gerichtshöfe der Strafjustiz nicht vor dem Beginn der JEP-Aktivitäten aufhören, an ihren Fällen zu arbeiten, so Castillo.

Inzwischen haben 33 kolumbianische und internationale Menschenrechtsorganisationen die Entscheidung des Richters zurückgewiesen. Sie fordern die zuständigen Justizbehörden auf, den Beschluss zu widerrufen, um zu vermeiden, "dass die Verantwortlichen von Schwerverbrechen die Justiz umgehen", heißt es in einem Kommuniqué. Ebenso begrüßen die Unterzeichner des Dokuments das Urteil eines anderen Gerichts, das gegen 21 Militärangehörige hohe Haftstrafen wegen ähnlicher Fälle von "Falsos Positivos" verhängt hat.

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