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Kubanischer Intellektueller Fernando Martínez Heredia gestorben

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Fernando Martínez Heredia bei seinem Vortrag im Januar 2017 in Havanna, Kuba
Fernando Martínez Heredia bei seinem Vortrag im Januar 2017 in Havanna, Kuba

Havanna. Am Montag haben kubanische Medien den Tod des Historikers und Universitätsdozenten Fernando Martínez Heredia gemeldet. Der mehrfach ausgezeichnete Autor und Sozialforscher starb im Alter von 78 Jahren.

Geboren am 21. Januar 1939 in der Gemeinde Yaguajay, Provinz Sancti Spíritus, nahm Heredia bereits als Jugendlicher an den Kämpfen der von Fidel Castro angeführten Guerilla "Bewegung des 26. Juli" teil, in den 1960er Jahren wurde er zum Gründungsmitglied der Kommunistischen Partei Kubas.

Heredia stieß in seiner Funktion als Universitätsdozent für Geschichte viele Debatten an. Er beteiligte sich unter anderem an den Diskussionen um die Einordnung der ersten Zeit nach der Revolution in den 1960er Jahren, die stark von freiwilligen Masseneinsätzen im Infrastrukturausbau und der Landwirtschaft gekennzeichnet war. Neben der "Cátedra Ernesto Che Guevara" hatte er ebenfalls zeitweise den Vorsitz des Forschungsinstituts zu Antonio Gramsci in Havanna inne.

In den letzten Jahren schrieb Heredia eine regelmäßige Kolumne für das Online-Nachrichtenportal Cubadebate. Zuletzt veröffentlichte er die beiden Monographien "Sozialismus und Marxismus" (2014, zusammen mit dem argentinischen Philosoph Néstor Kohan) sowie "Auf der Mitte des Weges" (2015).

Amerika21 veröffentlichte im Februar dieses Jahres die gekürzte Fassung seines Vortrages bei der 12. Internationalen Konferenz über Emanzipatorische Paradigmen in Lateinamerika und der Karibik "Berta Cáceres Vive", die vom 10. bis 13. Januar mit Delegierten sozialer und politischer Organisationen aus 23 Ländern in Havanna stattfand. Darin setzte sich Heredia mit dem Vormarsch der Rechten in Lateinamerika auseinander. Es führe nicht weiter, "wenn man die armen oder verarmenden Sektoren – die ihre Ernährung und ihre Einkünfte verbessert haben – als undankbar bezeichnet, weil sie die Regierungen, die sie begünstigten, nicht aktiv verteidigt haben", sagte er. Es gelte vielmehr über eine Politisierung der Massen nachzudenken, so Heredia, der den Vorsitzenden der Landlosenbewegung in Brasilien, Joao Pedro Stedile, mit einer enttäuschten Bilanz auf die Reaktionen nach dem Parlamentsputsch gegen die Linke in Brasilien zitierte: "Diejenigen, die Einsatz gezeigt haben, waren die Aktivisten, die am besten organisierten Sektoren. Aber 85 Prozent der Klasse sieht sich weiterhin lieber Novelas im Fernsehen an".

In Kuba selbst hatte sich Heredia kritisch mit autoritären Phasen nach der Kubanischen Revolution von 1959 auseinandergesetzt. Zu Beginn der sechziger Jahre habe die Tendenz bestanden, "die soziale und humane Befreiung durch neue, im Namen des Sozialismus errichtete Dominanzen zu schmälern", merkte er im Rahmen einer landesweiten Debatte über die Kulturpolitik 2007 an. Diese Trends hätten den Verlauf des politischen Emanzipationsprozesses zwar negativ beeinflusst, zugleich aber zur Debattenkultur beigetragen. Martínez Heredia verwies zugleich auf die gesamtpolitische Situation nach der Kubanischen Revolution, die von "gewaltsamen Auseinandersetzungen und imperialistischer Aggressivität" gekennzeichnet gewesen sei. Nach wirtschaftlichen Rückschlägen und dem Scheitern einer geplanten Rekordernte beim Zuckerrohranbau, der "Gran Zafra", habe für das sozialistische Kuba – zumal inzwischen die Nachricht vom Tod Ernesto Che Guevaras eingetroffen war – kaum mehr Aussicht auf eine sozialistische Transformationswelle in Lateinamerika und der Karibik bestanden, erinnerte Heredia. In dieser Atmosphäre sei der Spielraum für kritische Stimmen zunächst enger geworden, Anfang der siebziger Jahre dann sei interne Kritik kaum mehr möglich gewesen. Der Autor und Geisteswissenschaftler plädierte dafür, die damaligen Debatten über kulturelle und politische Freiheiten mit aktuellen Auseinandersetzungen zu verbinden.

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