Chile: Ermittlungen gegen Militärpolizei nach Einsatz gegen Mapuche

Staatsanwaltschaft ermittelt wegen mutmaßlich gefälschter Beweise bei "Operación Huricán". Rechtsgrundlage für Einsatz und Festnahmen fraglich

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Carabineros in Chile im Einsatz bei der "Operación Huricán" gegen Mapuche
Carabineros in Chile im Einsatz bei der "Operación Huricán" gegen Mapuche

Santiago. Eine Reihe von Menschenrechtsverletzungen durch Mitglieder der Militärpolizei von Chile (Carabineros de Chile) haben die heftigsten Skandale seit dem Ende der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet (1973-1990) provoziert. Nachdem im vergangenen Jahr bekannt wurde, dass hohe Generäle über Jahre Gelder veruntreut hatten, deckte die Staatsanwaltschaft Ende Januar massive Beweisfälschungen beim letzten großen Einsatz der Sicherheitskräfte gegen die Mapuche-Indigenen auf. Staatsanwalt Cristián Paredes Valenzuela, der daraufhin Ermittlungen eingeleitet hatte, erhielt Drohungen seitens der Carabineros und steht unter Personenschutz durch die Kriminalpolizei.

Unter der Bezeichnung "Operación Huracán" wurden im August 2017 acht führende Mitglieder der indigenen Protestbewegung unter "Terrorverdacht" festgenommen und in Untersuchungshaft verbracht. Der Mapuche und Dozent für Philosophie, Vicente Painel, erklärte im Gespräch mit amerika21, dass in diesem Fall vorschnell gehandelt wurde, um rasch Resultate vorweisen zu können. Dies habe eine Handlungslogik abseits von jeglichen rechtsstaatlichen Prinzipien zur Folge gehabt. Zudem geschehe dies in Institutionen, "die von Grund auf rassistisch strukturiert sind", so Painel weiter. Der Rechtsanwalt der Indigenen, Rodrigo Román, vermutete, dass die Operation politisch motiviert und "von oben", also von Regierung von Präsidentin Michelle Bachelet angeordnet gewesen sein könnte.

Aufgrund der bekanntgewordenen Vorgänge sind die Carabineros derzeit in einer ihrer größten Legitimitätskrisen ihrer jüngeren Geschichte. Nach Auffassung von Claudio Uribe, dem Generalsekretär der Organisation der Staatsanwälte, zeigt sich deutlich die Dringlichkeit einer Reform der Militärpolizei sowie der Förderung einer kritischeren Medienlandschaft  Geschehe dies nicht, würde das gesamte rechtsstaatliche System in Frage gestellt werden, da man sich nicht mehr auf die Beweisführung der Polizei verlassen könne, mahnt Uribe. Dies könnte große Auswirkungen auf andere Gerichtsprozesse gegen Mapuche haben, sowohl beim Verhalten der Gerichte als auch in der öffentlichen Meinung. Wie etwa beim Fall Luchsinger-Mackay, bei dem ab dem 26. Februar zum dritten mal in Folge der Prozess neu aufgerollt wird. Dabei wird der Mord an den Großgrundbesitzern Werner Luchsinger und Vivianne Mackay verhandelt. Im Januar 2013 hatten Unbekannte deren Wohnhaus mit Brandsätzen attackiert, dabei kam das Ehepaar zu Tode. Die elf Angeklagten in dem Fall mussten Ende Oktober 2017 nach fast 20 Monaten Untersuchungshaft wegen Mangels an Beweisen freigesprochen worden.

Die "Operación Huracán" folgte einer Reihe von Brandanschlägen auf Forstfirmen. Außerdem wurde zu der im Fernsehen über ein angebliches Erstarken von Guerillaorganisationen im Süden Chiles berichtet. Der Druck seitens der Forstunternehmer und einer von rechten Medien beeinflussten Öffentlichkeit hatte offenbar das Handeln der Regierung bewirkt. Einheiten der Carabineros stürmten die Häuser der Verdächtigen. In den Abendnachrichten wurde ein "großer Schlag gegen den Terrorismus der Mapuche" verkündet. Die Fernsehsender brachten Namen, Fotos und Lebensläufe der Verhafteten. Bilder wurden immer wieder gezeigt, wie sie von Polizisten zu Boden geworfen und mit Handschellen abgeführt wurden. Mitgeschnittene Telefonate sowie Nachrichten über die Messenger-Dienste Whatsapp und Telegram bewiesen angeblich, dass sie die Anschläge verübt und geplant hatten, Waffen aus Argentinien nach Chile zu schmuggeln. Schnell wurden jedoch Vorwürfe laut, dass die Carabineros Beweise manipuliert und ohne rechtliche Grundlage gehandelt hätten. Die Gerichte folgten dem zum Teil und entließen die Beschuldigten im Oktober 2017 aus der Untersuchungshaft.

Derzeit gibt es einen internen Streit über Interpretationen und das Vorgehen in dem Skandal. Einerseits stellten sowohl Gerichte als auch die Staatsanwaltschaft die Untersuchungen gegen die Mapuche ein. Andererseits scheinen Regierung und Carabineros bemüht, eigene Fehler zu verdecken und die Terrorermittlungen gegen die indigene Gemeinschaft fortzuführen. So legte die Regierung Widerspruch gegen die Einstellung des Verfahrens im Fall "Operación Huracán" ein. Auf die Forderungen nach Rücktritt des Generals der Carabineros, Bruno Villalobos, gibt es bislang keine Reaktion. Innenminister Mario Fernández gab lediglich bekannt, dass der stellvertretende Direktor der Carabineros, Julio Pineda, der verantwortlich für die administrative Untersuchung ist, Experten der US-amerikanischen Bundespolizei FBI hinzuziehen wolle.

Die als Carabineros de Chile bezeichnete Polizeitruppe untersteht seit dem Ende der Diktatur dem Innenminister, die nominelle Kontrolle verblieb jedoch beim Verteidigungsministerium.