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Chile stellt Haus der Sekte "Colonia Dignidad" unter Denkmalschutz

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Verschwundenenverbände demonstrieren Im Jahr 2017 vor dem "Haus von Parral", das die Colonia Dignidad dem chilenischen Geheimdienst DINA zur Verfügung stellte.
Verschwundenenverbände demonstrieren Im Jahr 2017 vor dem "Haus von Parral", das die Colonia Dignidad dem chilenischen Geheimdienst DINA zur Verfügung stellte.

Santiago. Die Denkmalbehörde in Chile (Consejo de Monumentos Nacionales, CMN) hat in dieser Woche ein Haus in der südchilenischen Stadt Parral unter Denkmalschutz gestellt, das die deutsche Seltensiedliung Colonia Dignidad dem chilenischen Geheimdienst Dina für Folterungen und politische Morde zur Verfügung gestellt hat. Das Gebäude diente zwischen 1974 und 1977 als Sitz der Geheimdienstbrigade der Dina im Süden des Landes (Brigada de Inteligencia Regional Sur). Es war gleichzeitig Koordinationszentrale zwischen der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad und der Dina.

Die Funktion des Hauses, das sich derzeit im Privatbesitz befindet, ist seit langem bekannt und dokumentiert: Es wurde bereits in den Berichten der chilenischen Wahrheitskommissionen 1991 und 2004 erwähnt. Verschiedene chilenische Gerichtsurteile enthalten genaue Schilderungen der Repression gegen Oppositionelle, die in den ersten Jahren der chilenischen Militärdiktatur von diesem Haus ausging und an der auch verschiedene Führungsmitglieder der Colonia Dignidad beteiligt waren. Die Colonia Dignidad war Eigentümerin des Hauses und überließ es 1974 dem Chef der Brigada de Inteligencia Regional Sur der Dina, Fernando Gómez Segovia. Dieser wurde 2016 wegen Mitgliedschaft in einer aus Dina- und Colonia Dignidad-Mitgliedern gebildeten kriminellen Vereinigung und wegen seiner Beteiligung am "Verschwindenlassen" von Oppositionellen verurteilt. Er sitzt dafür gegenwärtig in Haft.

Die Angehörigenorganisation der Verschwundenen (AFDD) hatte im November 2016 beantragt, das Haus unter Denkmalschutz zu stellen. Sie möchte, dass in dem Haus ein Erinnerungsort eingerichtet wird. Die AFDD hatte zur Untermauerung des Antrags mehr als 200 Unterstützungserklärungen von Angehörigen- und Menschenrechtsorganisationen, von Parlamentsmitgliedern und weiteren Personen des öffentlichen Lebens aus Chile und Deutschland eingereicht. Darunter befanden sich auch Schreiben der amtierenden und ehemaligen Bundestagsabgeordneten Klaus Barthel (SPD), Matthias Bartke (SPD), Christian Flisek (SPD), Heike Hänsel (Linke), Jan Korte (Linke), Renate Künast (Grüne), Harald Petzold (Linke) und Hans-Christian Ströbele (Grüne). Nun hat der chilenische Nationale Denkmalrat dem Antrag einstimmig stattgegeben.

Myrna Troncoso, die Sprecherin der Angehörigenverbände der Maule-Region, in der auch die Colonia Dignidad liegt, zeigte sich zufrieden. "Bisher sind die schrecklichen Verbrechen, die die DINA in Zusammenarbeit mit der Colonia Dignidad begangen hat, in der Maule Region unsichtbar. Die Denkmalschutzerklärung ist daher ein wichtiger Schritt, um die jüngeren Generationen für diese schrecklichen Vorgänge in unserer jüngeren Geschichte zu sensibilisieren, damit diese sich niemals wiederholen", so Troncoso.

Jan Stehle von dem in Berlin ansässigen Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. unterstützt das Anliegen der Angehörigenverbände: "Dieses Haus hat in der Verbrechensgeschichte der Colonia Dignidad in Zusammenarbeit mit der chilenischen Militärdiktatur eine wichtige Rolle gespielt. Chile und Deutschland sollten nun die Gelegenheit ergreifen, als Akt der symbolischen Wiedergutmachung dieses Haus zu erwerben und den Verbänden der Angehörigen und Folterüberlebenden zur Verfügung zu stellen", so Stehle.