Guatemala als sicherer Drittstaat: Regierung unterzeichnet Vereinbarung mit USA

Rechtmäßigkeit noch offen. Zuvor geplanter Vertrag von Verfassungsgericht gestoppt. USA drohten mit Sanktionen

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Unter den Augen von Präsident Trump unterzeichnete Guatemalas Innenminister Enrique Degenhart (links) die umstrittene Vereinbarung, Screenshot
Unter den Augen von Präsident Trump unterzeichnete Guatemalas Innenminister Enrique Degenhart (links) die umstrittene Vereinbarung, Screenshot

Washington. Guatemalas Innenminister Enrique Degenhardt hat am Freitag eine kontroverse Vereinbarung mit der US-Regierung unterzeichnet, die das mittelamerikanische Land de facto zu einem sicheren Drittstaat erklärt. Das guatemaltekische Verfassungsgericht hatte unlängst zuvor Präsident James Morales untersagt, einen Staatsvertrag ähnlichen Inhalts ohne Zustimmung des Kongresses zu unterschreiben. In Guatemala wird deshalb die Rechtmäßigkeit des Übereinkommens bezweifelt.

Die Vereinbarung gilt zunächst für zwei Jahre und kann von beiden Seiten mit dreimonatigem Vorlauf aufgekündigt werden. Sie soll es den USA ermöglichen, Migranten, die über Guatemala angereist waren, dort aber keinen Asylantrag gestellt hatten, wieder in das mittelamerikanische Land zurückzuschicken, erklärte dass US-Heimatschutzministerium. Hierzu soll eigens ein Auffangzentrum in Guatemala errichtet werden, in dem ein solcher Antrag für die USA gestellt werden kann. Illegal eingereiste Guatemalteken sollen in einem Schnellverfahren wieder in die Heimat geschickt werden.

Staatsbürger welchen Landes konkret betroffen sein werden, definiert die Vereinbarung selbst allerdings nicht. In einer Presseerklärung erklärte Guatemalas Regierung, von den Rückführungen werden vor allem Personen aus Honduras und El Salvador betroffen sein. 

Beide Regierungen einigten sich darauf, die Umsetzung gemeinsam zu planen und schrittweise in einem graduellen Prozess durchzuführen. Dabei werde sich zeigen, wie viele Migranten zurückgeführt werden können. Die USA wollen die Mittelamerikaner dabei unterstützen, ihre institutionellen Kapazitäten hierfür auszubauen, machten aber auch deutlich, dass sie in Guatemala keine Verantwortung für die Migranten tragen. 

Während die US-Regierung die unterzeichnete Vereinbarung "Sicherer-Drittstaat-Abkommen" nennt, bezeichnete Präsident Morales sie als "Kooperationsabkommen zur Prüfung von Schutzgesuchen" sowie "Internationale Solidarität für Migranten". Beobachter gehen davon aus, dass Guatemalas Regierung mit der Namensgebung einem erneuten Konflikt mit dem Verfassungsgericht aus dem Weg gehen möchte.

Das Gericht hatte einen ähnlich ausgearbeiteten Vertrag gestoppt und verfügt, er müsse vor einer Unterzeichnung durch Morales näher erläutert und dem Kongress zur Abstimmung vorgelegt werden. Guatemalas Staatschef erklärte nun, die neue Vereinbarung müsse nicht durch den Kongressverabschiedet werden, da die Umsetzung der geplanten Vorhaben weniger als ein Prozent des Haushalts betreffe. Inwieweit das Verfassungsgericht gegen die neue Vereinbarung vorgehen wird, ist bislang unklar.

Nach dem Urteil des Gerichts hatte US-Präsident Donald Trump damit gedroht, Geldüberweisungen von Guatemalteken in den USA Richtung Heimat (Remesas) mit höheren Abgaben oder Steuern zu belegen. Die gesandten Beträge sind in den letzten Jahren stark angestiegen und werden für das vergangene Jahr auf insgesamt neun Milliarden US Dollar geschätzt. Für viele guatemaltekische Familien sind diese Gelder zum Überleben unverzichtbar. Laut aktuellen Zahlen der guatemaltekischen Zeitung Prensa libre leben 59,3 Prozent der Bevölkerung in Armut; 46,5 Prozent aller Kinder sind chronisch unterernährt.

Morales hatte den Verfassungsrichtern vorgeworfen, sich in die Außenpolitik Guatemalas eingemischt und persönliche politische Interessen verfolgt zu haben. Ihr Urteil gefährde die exzellenten Beziehungen zum wichtigsten Wirtschaftspartner des Landes, den USA. Das Gericht berief daraufhin eine Pressekonferenz ein, um zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Es habe dem Präsidenten nichts verboten oder Befugnisse beschnitten, sondern lediglich auf die Einhaltung des verfassungsgemäßen Verfahrens für internationale Abkommen geachtet, so die Richter.

Die jetzige Unterzeichnung stieß auf harsche Kritik. Amnesty International schrieb in einer Erklärung, die US-Regierung wisse, dass in Guatemala gefährliche Bedingungen vorherrschten. Angesichts der hohen Gewaltraten in dem Land und schwacher Institutionen bestehe kein Zweifel daran, dass das Land nicht als sicherer Zufluchtsort angesehen werden könne.

Die guatemaltekische Zeitung La Hora bewertet das Zustandekommen der Vereinbarung unter Androhung von US-Sanktionen als "einen Kolonialstatus" für Guatemala. Bereits für Samstag riefen zahlreiche Organisationen der Zivilgesellschaft zu Protesten auf. Tausende versammelten sich daraufhin vor dem Kongress sowie dem Haus des Präsidenten.

Zahlreiche zivilgesellschaftliche Institutionen bezweifeln indes, dass Guatemala die Voraussetzungen eines sicheren Drittstaats erfüllt. Die Menschenrechtslage gilt in dem Land als angespannt; so kommt es beispielsweise im Zusammenhang mit politischen Aktivitäten immer wieder zu Morden. Erst am Donnerstag kam es im Landkreis Livingston im Departamento Izabal zum vierten Mord an einem Mitglied der Landarbeiterorganisation CODECA innerhalb der letzten drei Wochen. Die Oraganisation hat bereits landesweite Demonstration und Straßenblockaden geplant.